Wärmewende ist kein Selbstläufer – Ganzes Bündel an Maßnahmen notwendig
Wien, 24. Jänner 2018 (aiz.info). – Etwa ein Drittel des Energieverbrauchs in Österreich macht die Wärmegewinnung aus, ein Bereich, der für 20% des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist und bisher zu 60% aus fossilen Energiequellen gespeist wird. Eine Energiewende beim Heizen ist daher von zentraler Bedeutung, um die österreichischen Klimaziele zu erreichen. Eine Studie der Energy Economics Group der TU Wien zur „Wärmezukunft 2050“, die heute vom Dachverband Erneuerbare Energien Österreich (EEÖ) präsentiert wurde, zeigt auf, dass die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung technisch möglich ist und ebenso wirtschaftliche Vorteile für die Verbraucher bringen kann.
„Die Wärmegewinnung ist das Sorgenkind der Energiewende, denn dafür ist nicht nur eine rein technische Entwicklung notwendig, sondern ein gemeinsames ‚Anpacken‘ von Immobilienbesitzern und Planern über Gemeinden bis hin zur Bundespolitik“, sieht EEÖ-Präsident Peter Püspök große Herausforderungen für die nahe Zukunft. „Für Wärme, die uns mit gutem Gewissen wärmt, braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Wenn wir hier Zeit verlieren, verlieren wir auch den Kampf gegen den Klimawandel, weil die Investitionen in diesem Bereich sehr langfristig angelegt sind“, verweist Püspök auf die Dringlichkeit, dass die neue Regierung die Änderungen in der Wärmeversorgung in Angriff nimmt. Wie in keinem anderen Energiebereich wären damit auch extrem große Effekte auf dem Arbeitsmarkt verbunden.
Die Wissenschafter der TU Wien haben für die Studie den gesamten Gebäudebestand in Österreich herangezogen und in einer Simulation berechnet, wie die Zusammensetzung der Technologien zur Wärmegewinnung verändert werden müssten, um die Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Prämisse war, dass bestehende Heizanlagen bis zum Ende ihrer Lebensdauer in Betrieb bleiben und danach durch technisch und ökonomisch ausgereiftere und für die Verbraucher attraktivere ersetzt werden, wobei die Politik Anreize für die Entscheidung in Richtung erneuerbare Heizsysteme bietet. Angenommen wurde ferner die sukzessive Sanierung bestehender Gebäude, womit bis 2050 eine Halbierung des Energiebedarfs für Raumwärme und Warmwasser erreicht wird.
Massive Veränderungen bei den Technologien zur Wärmebereitstellung
Die Simulationsberechnung zeigt, dass sich die vorherrschenden Technologien zur Wärmegewinnung verändern werden. „Die Zahl der jährlich neu installierten Biomasseanlagen wird etwas bis zum Jahr 2030 auf das Niveau von 2006 sinken und danach wieder steigen. Fernwärme wird etwa bis 2030 konstante Anschlussraten aufweisen und der Wärmepumpentrend wird sich deutlich verstärken, während neu installierte Öl- und Gasheizungen wenig er werden“, fasste Andreas Müller, einer der Studienautoren, zusammen. Damit werden in dem Studienszenario bis 2050 zirka 52% der beheizten Gebäudefläche ihre Wärme aus Biomasse und Fernwärme beziehen, 33% werden mit Wärmepumpen beheizt, der Direktstrom wird auf 2,2% sinken und Gas/Biomethan wird knapp 13% der Fläche wärmen. Heizöl wird ab 2040 nicht mehr genutzt. Der Einsatz von Erdgas muss kontinuierlich reduziert werden, der verbleibende Anteil ist sukzessive durch Biogas und Wasserstoff zu ersetzen. „Damit ist eine Energiewende im Wärmebereich nicht nur möglich, sie bringt sogar jährliche Einsparungen in Höhe von 3 Mrd. Euro an Heizkosten mit sich. Die zusätzlichen Investitionen in die thermische Sanierung sowie der Umstieg von fossilen Heizsystemen auf Erneuerbare führen zu steigenden Beschäftigungszahlen von jährlich 2,5% in den Jahren 2020 bis 2030 sowie von 2,4% für das darauffolgende Jahrzehnt. In Summe sind die langfristigen Einsparungen damit höher als das nötige Investitionsvolumen“, so Müller.
Verringerung des Energiebedarfs um 50%
Obwohl sich in der TU-Projektion die Verkaufszahlen von Biomassekesseln bis 2030 beinahe vervierfachen, sinkt der Holzverbrauch. Das setzt aber voraus, dass neben dem technologischen Fortschritt, der die Heizsysteme effizienter macht, die Gebäude in Zukunft besser gedämmt sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Stromverbrauch. „Auch beim Einsatz von Wärmepumpen, die 2050 ein Drittel der Gebäudefläche beheizen werden, sinkt in Summe der Stromverbrauch im Wärmesektor“, zeigt Studienautor Michael Hartner auf, verweist aber darauf, dass dafür die weitestgehende Ablöse von Stromdirektheizungen durch andere Systeme erforderlich ist und Wärmepumpen nur in Verbindung mit niedrigen Vorlauftemperaturen eingesetzt werden dürfen. In Summe errechnet die Studie eine Reduktion des Endenergiebedarfs für die Wärmebereitstellung bis 2050 etwa auf die Hälfte des heutigen Standes (100 Terrawattstunden – TWh). Unter diesen Voraussetzungen wären laut den Wissenschaftern ferner signifikante CO2-Einsparungen möglich.
Eine bedeutsame Voraussetzung für das Gelingen der Wärmewende ist die umfassende Sanierung des Gebäudebestandes, wie wiederholt betont wird. Dazu gehören die thermische Sanierung ebenso wie die Erneuerung der Heizanlage. Nur so könne der Gesamtenergiebedarf halbiert, der Stromverbrauch gesenkt, der Biomasseverbrauch konstant gehalten und der Erdgasverbrauch auf Biogas und Power-to-Gas umgestellt werden.
Politisches Maßnahmenpaket erforderlich
Dass die Wärmewende kein Selbstläufer ist, unterstreicht auch Studienleiter Lukas Kranzl und verweist dabei auf ein umfassendes Maßnahmenbündel, das von der Bundesregierung zu schnüren wäre, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Für wichtig hält er die intensivere Beratung der Bürger über die Chancen und Vorteile der Energiewende beim Heizen, bis hin zu Modellen aus dem skandinavischen Raum, die die Endkunden beziehungsweise Hauseigentümer während des Sanierungsprozesses begleiten. Zum anderen müssten ordnungspolitische Maßnahmen wie eine verbesserte und verpflichtend wiederkehrende Überprüfung von Heizanlagen und die Entwicklung von Sanierungsplänen für Gebäude beschlossen werden. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen laut Kranzl die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie etwa das Ende der steuerlichen Bevorzugung von Heizöl. Denkbar wäre eine CO2-Steuer in Höhe von 200 Euro/t. Und schließlich regt er eine Kartierung des Wärmebedarfs einzelner Regionen an, die zu einer Energieraumordnung führen soll.
Die Versorgungssicherheit haben die Autoren in ihrer Studie nicht explizit einbezogen, verweisen aber auf andere wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema. Gegeben sei diese nur mit der konstanten Weiterentwicklung des Netzausbaus und den verbesserten Speichertechnologien. Die Hoffnungen liegen hier auf Batteriespeichern, wurde einhellig betont.