Regierung muss ihren Fortbestand in Ökostromgesetzreform rasch sicherstellen
Graz, 28. November 2017 – 130 Holzkraftwerke versorgen aktuell bundesweit Hunderttausende österreichische Haushalte rund um die Uhr mit sicherer Energie. Werden die Rahmenbedingungen im Ökostromgesetz für ihr wirtschaftliches Fortbestehen nicht in absehbarer Zeit durch eine große Ökostromnovelle verbessert, droht ihnen die Abschaltung. Ein Schritt, den die Landwirtschaftskammern verhindern wollen. Die LK Österreich hat daher heute, Dienstag, bei einer Diskussionsveranstaltung in Graz unter dem Titel „Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf“, auf die Situation der heimischen Holzkraftwerke aufmerksam gemacht und den Teilnehmern die Zusammenhänge wie auch Folgen vor Augen geführt.
Kemfert: Biomasse ist wichtiger Teil der Energiewende
In Deutschland sei die Energiewende zwar ausgerufen worden, mit dem Ziel des Atomausstiegs bis zum Jahr 2023, doch anstatt die alternativen Energiesysteme zu befördern sei Ökostrom fälschlicherweise als Sündenbock für die Fehlentwicklung identifiziert worden, erläuterte Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin.
Österreich ist Leidtragender der „vermurksten“ deutschen Energiepolitik
„Österreich muss nun mit den Konsequenzen der vermurksten deutschen Energiepolitik leben“, so Kemfert. Denn die kostengünstig erzeugte Energie aus Braunkohle drückt den Strompreis in Europa, sodass die Ökoenergie preislich nicht mithalten kann. Doch statt bei den Braunkohlekraftwerken anzusetzen, werde der Ökostromanteil gedeckelt. „In Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren einen Ökostromanteil von mehr als 30% erreicht, Energie aus Kohlekraftwerken macht aber immer noch über 40% aus. Das sind keine optimalen Bedingungen für die Energiewende“, gab die Expertin zu bedenken. Ohne Biomasse werde diese auch nicht zu bewerkstelligen sein. „Biomasse-Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) sind ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Energiewende, die nicht nur dem Klimawandel entgegenwirke sondern auch „enorme wirtschaftliche Chancen bringt, Innovationen schafft und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt“, so die Expertin.
Titschenbacher: Heimische Landwirtschaft trägt zur Lösung der Energiewende bei
Als Hauptbetroffene des Klimawandels ist es für die österreichische Landwirtschaft ein „Gebot der Stunde“ die Energiewende mitzutragen und dem Klimawandel mit nachhaltigen Maßnahmen entgegenzuwirken. Als „ganz wesentlichen Teil der Lösung“ sieht der steirische Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher „die bestmögliche Nutzung von Holz in allen Verwendungsbereichen“. Sein Bundesland weist das dichteste Biomasse-Nahwärmenetz der Welt auf und versorgt mittlerweile 220.000 Haushalte (45% des Gesamtwärmeenergiebedarfs) mit Wärme aus Holz. Einen bedeutenden Beitrag dazu leisten auch die 28 steirischen Holzkraftwerke, die Ökostrom und Nahwärme aus dem nachwachsenden Rohstoff produzieren. „Wenn wir das Ziel, bis zum Jahr 2030 100% Ökostrom in den heimischen Netzen zu haben erreichen wollen, können wir auf Strom aus österreichischen Holzkraftwerken nicht verzichten. Nur so kann dem Import von gefährlichem Atom- und Kohlestrom ein Riegel vorgeschoben warden“, so der steirische LK-Präsident weiter.
Dass durch die KWK-Anlagen auch Tausende Arbeitsplätze erhalten werden und die Wertschöpfung im Inland bleibt sind weitere Argumente, die für ihren Erhalt sprechen. Außerdem regen sie die Bewirtschaftung der heimischen Wälder an. „Erst wenn diese nachhaltig bewirtschaftet werden, können sie CO2-intensive Materialien aus fossilen Rohstoffen ersetzen“, verwies Titschenbacher auf die heuer angefallenen Mengen an Borkenkäferholz, das sich nur für die energetische Nutzung eignet. „Mit den Holzkraftwerken haben wir dafür direkt in den Regionen Abnehmer für dieses Schadholz.“
Schultes: Brauchen rasche politische Lösung für die Biomasse-Verstromung
Auch der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Hermann Schultes, appelliert an die künftige Bundesregierung „rasch Initiativen für eine vernünftige Eigenversorgung in Österreich mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energiequellen“ zu setzen. „Aktuell ist es so, dass in kalten Wintern, wenn kein Wind weht und die Zuflüsse zu den Flüssen zufrieren, wir Strom zu jedem Preis zukaufen. Dass dieser aus klimaschädlichen Atom- und Kohlekraftwerken stammt, ist vielen Menschen nicht bewusst. Gleichzeitig gibt es in Österreich 130 Holzkraftwerke, die rund ums Jahr krisenfeste Versorger sind und 6.400 Arbeitsplätze im Inland sichern, davon 2.200 in der Land- und Forstwirtschaft sowie 500 bei den Anlagen direkt“, erläuterte Schultes. Diese Anlagen entlasten das Stromnetz mit jährlich 2 Mrd. Kilowattstunden Strom, versorgen 600.000 Haushalte und darüber hinaus ersetzt die Nutzung ihrer Abwärme 450 Mio. l Heizöl.
„Bevor für den Großteil dieser KWK-Anlagen mit 2019 die Verträge auslaufen, muss der Gesetzgeber das Ökostromgesetz rasch reformieren, um ihren wirtschaftlichen Weiterbetrieb abzusichern“, forderte der LK Ö-Präsident. „Strom aus Holzkraftwerken zählt doppelt und kostet die Hälfte“, betonte Schultes, denn, „aus der Verwertung des Schadholzes, das durch den Klimawandel anfällt, wird die Wiederaufforstung der österreichischen Wälder finanziert, die Grundlage der nachhaltigen Holzversorgung aller Sektoren der Wertschöpfungskette Holz mit allen Sortimenten ist. Das wiederum sichert die Wertschöpfung für die Region – auch im vor- und nachgelagerten Bereich“. Dieses Bewusstsein für die Bedeutung von Holzkraftwerken, die “einfach nur da sind und einwandfrei funktionieren”, gelte es in der Gesellschaft und vor allem bei den politisch Verantwortlichen zu schärfen. „Abschalten müssen wir die klimaschädlichen Braunkohle- und die gefährlichen Atomkraftwerke. Für unsere Holzkraftanlagen braucht es hingegen dringend eine praxistaugliche Ökostromgesetzreform, die ihnen die Wirtschaftlichkeit sichert“, betonte Schultes abschließend.