PARLAMENTSAUSSCHUSS DISKUTIERTE WILDSCHADENSBERICHT 2019

Dez 3, 2020 | Allgemein

Mischung von Baumarten und angepasste Wildstände als vielversprechende Lösungen

Wien, 2. Dezember 2020 (aiz.info). – Im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft des Nationalrates wurde der Wildschadensbericht 2019 einstimmig zur Kenntnis genommen. Die Verringerung der Wildschäden sei in Anbetracht der durch den Klimawandel verursachten Waldschäden, insbesondere durch den Borkenkäfer, dringlich, wird in dem Bericht betont. Rund 34% der Schutzwaldflächen würden sich in der Terminal- oder Zerfallsphase befinden. In beiden Fällen bestehe die große Herausforderung in der Verjüngung und Wiederaufforstung der Bestände. „Leicht positiv“ bewertete Bundesministerin Elisabeth Köstinger den vorliegenden Bericht. Sie verwies auf Fortschritte bei den Bemühungen um das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Wild, dennoch seien die Schäden weiterhin sehr hoch. Trockenheit, Stürme oder Borkenkäfer hätten den Wald in Bedrängnis gebracht. Um die Schutzfunktion der Wälder zu erhalten, sei das „Aktionsprogramm Schutzwald“ ins Leben gerufen worden. Köstinger führte aus, dass unangepasst hohe Wildstände die Bemühungen gefährden könnten. Durch die Erhebung von Wildschäden und mit der österreichischen Waldinventur arbeite man weiterhin an einer Lösung der Problematik.

Die Waldinventur habe den Trend zu mehr Mischwäldern sowie einem höheren Totholzanteil bestätigt. Lösungsorientiert seien auch der Forst & Jagd-Dialog sowie der Österreichische Walddialog. Einer der wichtigsten Beiträge sei außerdem der Waldfonds im Umfang von 350 Mio. Euro, mit dem die Wälder klima- und zukunftsfit gemacht würden, so die Ministerin. Durch Aufforsten setze man mit dem Waldfonds dort an, wo Unterstützung notwendig sei. Ein weiterer Schwerpunkt seien Forschungsmaßnahmen, etwa der vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) angeregte Klimaforschungswald. Abschließend betonte Köstinger den „unverzichtbaren Beitrag“ des Rohstoffs Holz zum Klimaschutz. Durch aktive Bewirtschaftung sei sichergestellt, dass die Wälder ihre Leistung weiter erbringen können.

Boku: Klimabedingte Anpassungen werden schmerzenden Schnitt erfordern

„Betroffen durch den Klimawandel und zugleich Teil der Lösung“ sind 4 Mio. ha Wald in Österreich, umriss Manfred Lexer, Leiter des Instituts für Waldbau der Universität für Bodenkultur Wien (Boku), die Dimensionen. Die Klimaänderung gehe an die Toleranzgrenzen der Waldbäume, Schädlinge wie der Borkenkäfer würden begünstigt, besonders die Fichte, „der Brotbaum der österreichischen Waldbewirtschaftung“, sei sehr anfällig. Lexer sprach einem Portfolio, einer cleveren Mischung von Baumarten, die stärkste Wirkung zu. Die Anpassungen für die Forstwirtschaft würden einen „schmerzenden Schnitt“ erfordern. Dafür sei es wichtig, dass kleine Waldbesitzer gut beraten werden und auch die Beratung „klimafit“ gemacht werde, so Lexer. Bei der Ertragssituation solle mehr auf den „Wert eines Festmeters“ als auf die Menge geachtet werden.

Den Zusammenhang zum Wildschadensbericht stellte Lexer über die Forderung her, dass man „eine Balance herstellen muss zwischen Habitat und Wildtierpopulation“. Einen nachhaltigen Trend wollte Lexer hierbei noch nicht erkennen, im Forst & Jagd-Dialog ringe man um eine Lösung. Wichtig sei jedenfalls auch das Problembewusstsein aller Akteure, auch in der Erholungswirtschaft, um dem Wald-Wild-Konflikt zu begegnen. Schwierigkeiten gebe es in touristischen Gebieten durch mangelnde Rückzugsgebiete vor allem für Rotwild.

BFW liefert Klimaszenarien und Schutzkonzepte auf Basis der Waldinventur

„Mensch und Wald sind vom Klimawandel betroffen, der Wald kann sich aber nur langsam anpassen“, stellte Peter Mayer, Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW), fest. Im Einklang mit allen anwesenden Fachexperten nannte Mayer den Wechsel zu laubholzreichen Mischwäldern als nachhaltigstes Konzept zum Schutz des Waldes, zur Risikostreuung beziehungsweise -minimierung sowie zum Ausgleich von Störungen. Angepasste Wildstände seien ebenfalls eine wichtige Voraussetzung. Diese Anpassungsmaßnahmen würden auch die wirtschaftlichen Erträge beeinflussen.

Wie Lexer betonte er, dass der Wald die Lösung in der Klimapolitik sei, da er als Kohlenstoffspeicher eine wichtige Rolle spiele. Das BFW arbeite an allen Aspekten und trage mit seiner Expertise im Forst & Jagd-Dialog bei. Die Waldinventur liefere seit 60 Jahren umfangreiche Daten, auf deren Basis man Klimaszenarien erstelle. Mayer wies im Speziellen auf das Kooperationsprojekt „CareforParis“ zusammen mit dem Umweltbundesamt hin. Im Zuge dessen seien Klimamodelle erstellt und untersucht worden. Die Erkenntnis sei, dass der Wald in den nächsten 20 bis 90 Jahren in Bezug auf Kohlenstoff eine Nettosenke sei, früher oder später aber zur Netto-Emissionsquelle werde. Eine Langzeitperspektive gebe es in Verbindung mit Holzprodukten. Insgesamt entscheidend sei die Vermeidung von Emissionen und die Dekarbonisierung als Hebel, um die Klimaziele zu erreichen, so Mayer.

Bundesforste: Kenntnisnahme des Berichts durch das Parlament ist nicht ausreichend

Die Wildschadensberichte 2018 und 2019 stünden in Bezug auf die enthaltenen Zahlen in engem Zusammenhang, betonte Gerald Plattner, Leiter Naturraummanagement und Naturschutz bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf). Für ganz Österreich sei ein mittlerer bis starker Wildeinfluss gegeben, in Waldflächen in Wien sei der Einfluss hingegen schwach, da offenbar eingegriffen worden sei, wie beispielsweise durch eine intensive Bejagung im Lainzer Tiergarten. Als relevant für einen „klimafitten“ Wald nannte Plattner Mischbaumarten wie Tanne, Eiche und Buche, die aber besonders stark verbissen werden, wodurch der Nachwuchs der Wälder beeinträchtigt werde. Zeitnah brauche es daher eine Verringerung der Schälschäden.

Ebenfalls ein großes Problem sei die Erwärmung der Böden, die damit einhergehende Mineralisierung und damit der Abbau von Nährstoff- und Wasserkapazität. Dadurch kämen manche Baumarten wie die Fichte in Lagen bis 800 Meter unter Druck. Für tiefere Lagen sollten Laubbäume forciert werden. „Biotische und abiotische Störfaktoren“ wie Borkenkäfer oder Stürme seien „Belastungen für den Wald“, so Plattner. Das führe zu geringen Erlösen in der Holzproduktion sowie zu einer Verringerung der Schutzfunktion des Waldes. Ohne ein Gegensteuern würden das Produktionsrisiko und die Reparaturkosten für die Gesellschaft weiter steigen. Es reiche nicht, so Plattner, wenn das Parlament diesen Bericht nur zur Kenntnis nehme, sondern es brauche gesamthafte Änderungen im Rahmen einer „ideologiefreien Diskussion“.

Als Maßnahmen schlug Plattner ebenso die Förderung von Mischwäldern, klimaangepasste Baumarten, intensive Naturdüngung und den Erhalt seltener Waldgesellschaften vor. Er sprach sich dafür aus, die Qualitätsverbesserung vor den Nutzungsaspekt zu stellen. Die Bundesforste hätten im Rahmen des Projektes „Ökologie – Ökonomie“ einen monetären Vorteil durch Schutzmaßnahmen in der Höhe von 10 Mio. Euro im Vergleich zu herkömmlicher Bewirtschaftung ermittelt. Für eine bessere Bund-Länder-Abstimmung empfahl Plattner Staatsverträge, auch „um dem bundesstaatlichen Gedanken Rechnung zu tragen“. Auch müssten die von Ländern verordneten Schutzgebiete in ein Verbundsystem gebracht werden, für eine nachhaltige Waldwirtschaft sei ein Vertragsnaturschutz eine „ideale Klammer“, so Plattner.

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