21. Biomassetag in Kufstein
Wien, 6. November 2018 (aiz.info). – Um das österreichische Energiesystem auf erneuerbare Quellen umzustellen, wird ein Mix verschiedener Technologien nötig sein. Zur Beurteilung möglicher Maßnahmen führt das Forschungszentrum Bioenergy 2020+ aktuell eine Studie durch, bei der erneuerbare Technologien mit fossilen Referenztechnologien hinsichtlich der Kosten für CO2-Einsparungen verglichen werden. Die Analysen werden beim 21. Österreichischen Biomassetag in Kufstein präsentiert, wo über 300 Teilnehmer die künftigen Herausforderungen diskutieren.
„Die Bioenergie spielt in allen Energiewendeszenarien die entscheidende Rolle: Biomasse könnte bereits mittelfristig Erdöl und Erdgas als bedeutendste Energieträger überholen. In Tirol ist das bereits geschehen – ihr Anteil am Raumwärmemarkt beträgt aktuell 36%. Zusammen mit der Fernwärme sind es sogar 45%“, erklärte Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes (ÖBMV). „Es ist jedoch noch viel zu tun, denn nach wie vor sind über 100.000 Ölkessel in Tirol installiert, die durch erneuerbare Energie ersetzt werden müssen. Die Bundesregierung hat mit der Klima- und Energiestrategie die ersten Schritte für den Heizöl-Ausstieg gesetzt, doch es bedarf der Mithilfe der Länder, um diese Ziele umzusetzen.“ Tirol verfügt über eine bedeutsame Sägeindustrie, die große Mengen an Pellets produziert und auch ins benachbarte Ausland exportiert. „Für Tirol ist die Forcierung von Biomasse in Haushalten, Industrie und Gewerbe ein aufgelegter Elfer für die regionale Wirtschaftsförderung. Durch den Einsatz modernster Verbrennungstechnik ‚Made in Austria‘ ist auch die oft befürchtete Feinstaubbelastung kein Argument mehr.“
Bioenergie ist die effizienteste Möglichkeit, um vom Heizöl wegzukommen
Die Kosteneffizienz von Klimaschutzmaßnahmen im Energiebereich steht im Mittelpunkt der Studie von Bioenergy 2020+. Basierend auf Heizkostenvergleichen der TU Wien analysiert man bauliche und energetische Maßnahmen. „Bioenergie ist hinsichtlich der Effizienz im Heizungsbereich praktisch unschlagbar. In unserem Modellgebäude – einem unsanierten Einfamilienhaus – können durch den Umstieg auf Pellets, Hackgut, Scheitholz oder Nahwärme bis zu 14 t CO2 im Jahr eingespart werden. Die CO2-Vermeidungskosten sind hier sogar negativ, da die Heizkosten durch das im Vergleich teure Heizöl tatsächlich sinken. Anders ausgedrückt: Der Umstieg spart dem Konsumenten Geld“, fasst Christoph Strasser von Bioenergy 2020+ die ersten Zwischenergebnisse zusammen. Der Betrieb von Ölkesseln mit Heizöl aus Biomasse sei zwar technisch durchaus denkbar, ist aber aufgrund der hohen Kosten nicht konkurrenzfähig. Erneuerbares Gas könnte in Nischen, wie Regionen im städtischen Bereich, die nicht durch Fernwärme erschlossen sind, an Bedeutung gewinnen. Im klassischen Ein- oder Mehrfamilienhaus ist man aber von der Wirtschaftlichkeit ebenfalls weit entfernt. Die Konkurrenz zwischen Dämmmaßnahmen und Kesseltausch sieht Strasser nur bedingt. Wer heute den Kessel tauscht und mit dem eingesparten Geld morgen dämmt, hat im Falle eines vorhandenen Pufferspeichers trotzdem noch ein voll funktionsfähiges, effizientes und emissionsarmes Heizsystem, das zudem sehr gut geeignet für die Kopplung mit einer Solarthermie-Anlage ist, um in der Übergangszeit die Heizung zu unterstützen und im Sommer das Warmwasser bereitzustellen.
Anstoß: 5.000 Euro „Raus aus Öl“-Bonus
„Obwohl sich erneuerbare Heizsysteme rechnen, wirken die hohen Investitionskosten abschreckend. Hier soll der ‚Raus aus Öl‘-Bonus Abhilfe schaffen. Diesen können sich Betriebe und Privatpersonen abholen, wenn sie im Rahmen der Sanierung eine Öl- oder eine andere fossile Heizung durch ein klimafreundliches System ersetzen“, erklärt Josef Plank, Generalsekretär im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. Der vor Kurzem wieder stark angestiegene Heizölpreis zeige einmal mehr das hohe Risiko, das mit fossilen Heizungen, gerade auch für einkommensschwache Haushalte, einhergeht. „Erneuerbare Energien führen zu einer Diversifizierung in der Wärmeversorgung, reduzieren unsere Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, sparen große Mengen an Treibhausgasemissionen und senken Brennstoffkosten. Vom Brennstoff bis zur Technologie können wir im Falle der Bioenergie auf heimische Ressourcen zurückgreifen“, so Plank. Informationen zu den Förderbedingungen finden sich auf www.umweltförderung.at.
„Österreich zuerst“ in der Energiepolitik notwendig
„In den letzten Monaten wurde uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass die dominierende fossile Energiewirtschaft moralisch untragbar ist. Wir zahlen Milliarden Euros für fossile Energieimporte an politisch instabile Länder. Noch dazu kommt dieses Geld nicht der Bevölkerung zugute, sondern fließt oft in die Taschen von Diktatoren, während wir ausreichend erneuerbare Energien in allen Technologien im Land haben. Wir brauchen in der Energiepolitik ein ‚Österreich zuerst‘. Das ist kein Abkapseln, sondern aktive Friedenspolitik“, erklärte Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes der Erneuerbaren Energien Österreichs (EEÖ). „Die Ziele der Energiestrategie sind nur mit allen Erneuerbaren möglich, denn sie haben unterschiedliche ‚Talente‘, die sich ergänzen. Gegenseitiges Ausspielen der einzelnen Technologien, etwa durch technologieoffene Ausschreibungen, ist kontraproduktiv. Das Team der Erneuerbaren läuft derzeit Gefahr, dass ein wichtiger Player, nämlich die Holzkraftwerke, vom Platz gestellt werden. In Unterzahl werden wir das Match gegen den Klimawandel nicht gewinnen. Hier haben wir dringenden Handlungsbedarf.“