Allgemeinwohl muss vor Konzerninteressen stehen
Mureck, 8. Februar 2019 (aiz.info). – Energieexperte Heinz Kopetz, Mitglied von Energypeace, einer Plattform, die sich für ein Energiesystem auf Basis erneuerbarer Quellen einsetzt, und ehemaliger Vorsitzender des Österreichischen sowie des Euopäischen Biomasse-Verbandes, hat heute die Aussagen der Papierindustrie zur Weiterführung von Holzkraftwerken entkräftet. Christian Skilich, Vorsitzender von Austropapier, hatte sich gegen die geplante Änderung des Ökostromgesetzes ausgesprochen, die den Fortbestand von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die auf Basis von Biomasse arbeiten, sichern soll. Diese Regelung sei zu teuer, meinte Skilich.
Förderung nach Kostengesichtspunkten bringt keine CO2-Reduktion
Die Forderung von Skilich nach maximaler Fördereffizienz, also größtmöglicher CO2-Einsparung je Förder-Euro, klinge auf den ersten Blick vernünftig, so Kopetz. Sie könne aber nur bedeuten, jene Ökostromtechnologien mit den geringsten Kosten zu subventionieren, also Wasserkraft und – nach weiteren Technologiefortschritten – Photovoltaik. Wer nur auf die so definierte Fördereffizienz schaue, schaffe aber Stromüberschüsse im Sommer und nehme hin, dass der Strom im Winter zunehmend aus Kohle- und Atomkraftwerken komme, mahnt Kopetz. Genau das solle aber verhindert werden, weshalb die Weiterführung und der Ausbau der Biomasseanlagen notwendig seien.
„Die Fördereffizienz zur CO2-Einsparung muss für das System Stromversorgung im Gesamtjahr gelten und nicht allein technologiebezogen“, betont der Energieexperte. „Es würde der Kohlenstoffreduktion im Gesamtsystem Stromerzeugung nicht weiterhelfen, wenn Technologien nur nach Kostengesichtspunkten gefördert würden, unabhängig davon, wann der Strom erzeugt wird, ob er gebraucht wird und wann und wie verlässlich er angeboten wird“, gibt Kopetz zu bedenken.
Kostenwahrheit bei fossiler Stromgewinnung nicht gegeben
Kopetz entkräftet auch die Aussage der Papierindustrie, wonach die geplante Übergangslösung Anlagen sichere, die auch nach 13 Jahren nicht in der Lage seien, wirtschaftlich zu arbeiten. Er verweist darauf, dass der Großteil des Stroms in Europa nach wie vor aus fossilen Kraftwerken stammt und die Allgemeinheit die Kosten für die Umweltschäden, die dabei entstehen, trägt (Klimaschäden wie Ernteverluste, Überschwemmungen, Erdrutsche, Krankheiten etc. sowie die Folgen von Atomunfällen in Tschernobyl und Fukushima). „Würden diese Folgeaufwendungen der fossilen und atomaren Stromerzeugung in die Kosten eingerechnet, dann müssten die CO2-Abgaben mehr als 150 Euro je t betragen und die Erzeugungskosten der AKWs würden ein Mehrfaches des Marktpreises ausmachen“, rechnet Kopetz vor. Dann wären auch alle Holzkraftwerke ohne Förderung rentabel. „Solange die externen Kosten der fossilen und atomaren Stromerzeugung sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden, brauchen Holzkraftwerke ein Förderregime, unabhängig davon, ob sie alt oder neu sind“, stellt Kopetz fest.
„Nicht nachvollziehbar“ ist für ihn auch die Aussage der Papierindustrie, „eine Tonne CO2-Reduktion kostet 200 Euro“. Allein im Winterhalbjahr ersparen die Holzkraftwerke durch ihre Stromlieferung von 1 Mrd. Kilowattstunden und ihre Wärmelieferung im Vergleich zu fossilen Lösungen (Kohlestrom, Wärme aus Öl und Gas) zumindest 1,4 Mio. t CO2. Rechnet man das Sommerhalbjahr hinzu, so sind es zumindest 2,5 Mio. t CO2-Einsparung. Karl Totter von Energypeace dazu: „Das ergibt bei einem Fördervolumen von 140 Mio. Euro knapp 60 Euro Kosten je t CO2-Einsparung und nicht 200 Euro.“
Schadereignisse nehmen aufgrund des Klimawandel langfristig zu
„Wegen des fortschreitenden Klimawandels nehmen Schadereignisse wie Borkenkäferbefall oder Windwurfschäden nicht nur kurzfristig, sondern langfristig zu. Die Sorge der Forstwirtschaft, dass sie ihr Schadholz ohne die Holzkraftwerke nicht verkaufen könne, ist daher mehr als berechtigt“, unterstreicht Energieexperte Kopetz. Das große Angebot habe bereits zu sinkenden Holzpreisen geführt, was langfristig immer mehr die Bewirtschaftung der Wälder gefährde, wie am Beispiel Tschechien zu beobachten sei. Dort müssten Waldflächen in der Größe von ganzen Bezirken wegen der Schäden außer Bewirtschaftung gestellt werden.
Das wichtigste gemeinsame Interesse der Papierindustrie und der Forstwirtschaft müsste sein, dass Österreich seine CO2-Emissionen endlich senkt und nicht, wie schon seit drei Jahren, weiter erhöht. Mit ihrem Vorstoß nehme die Papierindustrie jedoch eine weitere Erhöhung der Emissionen in Kauf, was langfristig die Existenz der Forstwirtschaft und damit ihre eigene Rohstoffversorgung gefährde, mahnt Kopetz. „Die Politik sollte sich in erster Linie an den langfristigen Interessen der Bürgerinnen und Bürger orientieren – Stichwort Klimaschutz – und erst in zweiter Linie an den Gewinnzielen der Konzerne“, so der Experte.