Pflanzen wissen alles über den Standort (Teil 1)

Artikel aus Ausgabe 2/2023

Die Bodenvegetation in Wäldern kann gute Auskunft über die Nährstoff-, Wasser- und Wärmeverhältnisse eines Standorts geben und damit nützliche Informationen für die Wahl geeigneter Baumarten liefern. Wir zeigen Ihnen, wie Sie als Waldbewirtschafter:in Zeigerpflanzen nutzen können.

Unsere Baumarten stellen unterschiedliche Ansprüche an die Nährstoff-, Wasser- und Wärmeversorgung. Daher zahlt es sich für Waldbewirtschafter:innen aus, über ihre Waldstandorte möglichst gut Bescheid zu wissen. Denn nur wer bei der Baumartenwahl auf standortstaugliche Arten setzt, darf damit rechnen, dass diese sowohl gutes Wachstum und Wertleistung zeigen, als auch hohe Stabilität aufweisen, sodass sie das Ende der Umtriebszeit ohne frühzeitigen Ausfall erreichen. Standortstaugliche Baumarten können sich zudem natürlich verjüngen und einer Verschlechterung des Standorts entgegenwirken. Beispielsweise würde man auf staunassen, bindigen Böden mit Flachwurzlern wie der Fichte Bodenverdichtung fördern und die Windwurfgefahr erhöhen.

Für die forstliche Praxis erweisen sich Zeigerpflanzen als gutes Hilfsmittel zur Standortsbeurteilung. Ebenso wie die Baumarten stellen auch die Pflanzen der Bodenvegetation bestimmte Ansprüche an den Standort. Vom Vorkommen aussagekräftiger Zeigerpflanzen lässt sich daher direkt auf die Nährstoff-, Wasser- und Wärmeverhältnisse des Standorts schließen.

Was uns Pflanzen verraten

Bereits ohne genaue Artenkenntnis kann man aus dem Erscheinungsbild von Pflanzen einiges ablesen. Als Faustregeln können dabei gelten: Je kleiner, schmäler und hartlaubiger die Blätter sind, umso anspruchsloser ist die Pflanze bezüglich ihrer Nährstoff- und Wasserversorgung. Pflanzen mit besonders weichlaubigen bzw. großen Blättern, die nach dem Pflücken rasch welken, weisen dagegen auf eine gute Wasserversorgung hin.

Eine genauere Kenntnis der Arten ermöglicht sodann noch tiefere Einblicke. Das ist heute so einfach wie nie, da es Hilfsmittel für das Smartphone gibt, die anhand von Fotos der Blüten und Blätter automatisiert bei der Pflanzenbestimmung helfen. Gute Dienste kann hier z. B. die kostenlose App PlantNet leisten.

Jede Pflanzenart besiedelt ein breites Spektrum von Standorten. Man sollte also möglichst viele an einem Standort vorkommende Arten berücksichtigen, sodass sich aus dem Überlappungsbereich ihrer Vorkommen eine recht genaue Einordnung ergibt. Kalkzeiger und Säurezeiger können auch gemeinsam an einem Standort vorkommen, wenn über einem kalkhaltigen Unterboden eine saure Humusauflage vorliegt.

Im Folgenden geben wir Ihnen eine Anleitung, wie Sie als Waldbewirtschafter:in Zeigerpflanzen zur Standortsbeurteilung und für die Baumartenwahl nutzen können. Den Nährstoff-, Wasser- und Wärmeverhältnissen wird dazu jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet.

Nährstoffversorgung

Die Nährstoffversorgung eines Standorts ist v. a. vom Mineralbestand des geologischen Ausgangsmaterials, vom Fortschritt der Bodenentwicklung und von der Position im Relief (z. B. Rücken, Hangfuß) abhängig. Auch die Bewirtschaftung und die Baumartenwahl haben einen Einfluss, da sie die Aktivität des Bodenlebens und somit den Nährstoffkreislauf mitbestimmen.

Für die Beurteilung der Nährstoffverhältnisse sind zwei Maßzahlen wesentlich. Die eine gibt die Speicherkapazität im Boden an, also wie groß die innere Oberfläche ist, an der Stoffe austauschbar gebunden werden können. Diese sogenannte Kationenaustauschkapazität (KAK) hängt v. a. von der Menge und Art des Feinbodens (Ton) und vom Humusgehalt ab. Die zweite Maßzahl gibt an, wie die vorhandenen Speicherplätze im Boden belegt sind. Diese sogenannte Basensättigung zeigt, wie hoch der Anteil pflanzenverfügbarer, basischer Kationen  (d. h. Nährstoffen wie Kalzium, Magnesium, Kalium, Natrium) im Vergleich zu sauer wirkenden Kationen (wie z. B. Aluminium, Eisen) ist. Optimal ist also ein großer Bodenspeicher, in dem die Speicherplätze vorrangig mit Basen (Nährstoffen) belegt sind. Diese Standorte sind gut basenversorgt. Ungünstige Verhältnisse ergeben sich hingegen, wenn die Belegung der Speicherplätze mit basischen Nährstoffen gering ist, unabhängig von der Größe des Bodenspeichers. Solche Standorte sind also schlecht basenversorgt. Die Basenversorgung ist ein geeigneter Indikator für die Bodenfruchtbarkeit (Nährstoffversorgung). Anders als in der Landwirtschaft ist die Stickstoffversorgung in Waldökosystemen kein großes Thema.

1. Standorte mit schlechter Nährstoffversorgung können daran erkannt werden, dass am Waldboden keine bzw. kaum Basenzeiger (siehe Abschnitt 2) vorkommen, während zumindest einer der folgenden Säurezeiger dominant auftritt:

• Heidelbeere (Vaccinium myrtillus)
• Drahtschmiele (Avenella flexuosa)
• Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea)
• Besenheide (Calluna vulgaris)
• Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum)
• Isländisches Moos (Cetraria islandica)

Böden mit schlechter Nährstoffversorgung entstehen meist auf quarzreichen, hellen Silikatgesteinen (z. B. Granit, Gneis, Quarzit, saure Schotter). Im Gelände können sich zudem Verlustlagen (z. B. Kuppen, Oberhänge, steilere Lagen) negativ auswirken, da hier Nährstoffe mit dem Sickerwasser abfließen. Auch die Bewirtschaftung kann zu Bodenversauerung und Nährstoffverarmung führen. So haben Streunutzung oder Beweidung oft massive Nährstoffentzüge verursacht. Frühere Nutzungen können auch noch nach langer Zeit anhand von Streunutzungszeigern wie der Besenheide oder Weidezeigern wie dem Wacholder (Juniperus communis) erkannt werden. An solchen auf den ersten Blick nährstoffarm erscheinenden Standorten zeigt aber oft das vereinzelte Auftreten von Basenzeigern eine bessere Basenversorgung im Unterboden und damit höheres Standortspotenzial an.

Eine Förderung von tiefwurzelnden Baumarten bzw. ein Vorwald mit Birke oder Eberesche kann hier zu einer Verbesserung des Bodenzustands führen, da der Unterboden meist eine höhere Basensättigung aufweist und Tiefwurzler die Basen von dort aufnehmen und über ihre Laub- und Nadelstreu in den Humus einbringen. An nährstoffarmen Standorten sind Tanne, Lärche und Rotföhre, aber auch die Eichenarten noch gut geeignet, während sich Edellaubbaumarten wie der Bergahorn nicht mehr eignen. Die Buche ist noch eingeschränkt geeignet und zwar an den weniger extremen Standorten, die z. B. am Vorkommen folgender schwacher Basenzeiger erkannt werden können:

• Haselnuss (Corylus avellana)
• Brombeere (Rubus fructicosus agg.)
• Hasenlattich (Prenanthes purpurea)
• Mauer-Lattich (Lactuca muralis)
• Männerfarn (Dryopteris filix-mas)

2. Standorte mit guter Nährstoffversorgung können eine breite Palette an Nährstoff- bzw. Basenzeigern aufweisen:

• Efeu (Hedera helix)
• Wald-Erdbeere (Fragaria vesca)
• Goldnessel (Galeobdolon luteum)
• Kriech-Günsel (Ajuga reptans)
• Einbeere (Paris quadrifolia)
• Waldmeister* (Galium odoratum)
• Kleb-Salbei* (Salvia glutinosa)
• Kleeblatt-Schaumkraut* (Cardamine trifolia)
• Sanikel* (Sanicula europaea)
• Giersch* (Aegopodium podagraria)
• Lungenkraut* (Pulmonaria officinalis)
• Haselwurz* (Asarum europaeum)
• Seidelbast* (Daphne mezereum)
• Bingelkraut* (Mercurialis perennis)
• Zyklame* (Cyclamen purpurascens)

Gut nährstoffversorgte Böden entstehen meist aus quarzarmem, basenreichen Ausgangsmaterial (z. B. Hornblendeschiefer/Amphibolit, Grüngesteine), wobei in Silikatgesteinen die meisten basischen Mineralbestandteile an ihrer dunklen Färbung zu erkennen sind. Zudem können sich Gewinnlagen (z. B. Unterhänge, Grabeneinhänge, Mulden) positiv auswirken, da hier Nährstoffe mit dem Sickerwasser zufließen und sich anreichern.

Diese Standorte bieten die größte Freiheit bei der Baumartenwahl. Geeignet sind, u. a. Buche, Tanne, Eichen, aber auch Edellaubbaumarten wie Bergahorn, Esche oder Kirsche. An Standorten mit besonders guter Nährstoffversorgung ist bei Laubholz eine hohe Wertleistung möglich, diese Standorte sind daher optimal für Edellaubbaumarten geeignet. Zeigerpflanzen, die auf besonders gute Nährstoffverhältnisse hinweisen, sind in der obigen Liste mit „*“ markiert.

3. Karbonatgeprägte Standorte können vor Ort anhand folgender Zeigerpflanzen erkannt werden:

• Leberblümchen (Hepatica nobilis)
• Weiß-Segge (Carex alba)
• Schneerose* (Helleborus niger)
• Kalk-Alpendost* (Adenostyles alpina)
• Dreischnittiger Baldrian* (Valeriana tripteris)
• Schnee-Heide!* (Erica carnea)
• Wimper-Alpenrose!* (Rhododendron hirsutum)
• Schwalbenwurz!* (Vincetoxicum hirundinaria)
• Kalk-Blaugras!* (Sesleria caerulea)

Im Weiteren ist es wichtig, zwei Fälle zu unterscheiden, zwischen denen es fließende Übergänge gibt:

a) Feinbodenreiche Standorte: Diese sind in den obersten Bodenschichten mit einer hohen Menge an Feinmaterial (z. B. Lehm) ausgestattet, wobei der Anteil an Grobmaterial variieren kann. Sie sind gut basenversorgt und ähneln in Bezug auf die Baumarteneignung den in Abschnitt 2 beschriebenen Standorten mit besonders guter Nährstoffversorgung. Entsprechende Standorte entwickeln sich meist auf stark karbonathaltigen Mischgesteinen (z. B. Schlier, Mergel, Moränen) oder weisen über dem Karbonatgestein eine lehmige Deckschicht auf.

b) Feinbodenarme Standorte: Diese weisen in den obersten Bodenschichten nur eine geringe Menge an Feinmaterial auf, sind also vorrangig von Grobmaterial (Grus, Steine) geprägt. Sie verfügen zwar grundsätzlich über eine reiche, jedoch oft einseitige Nährstoffversorgung (Phosphor-/Kalium-Mangel). Entsprechende Böden entstehen typischerweise aus Dolomit- oder sehr reinem Kalkgestein. Zudem fördern Verlustlagen (z. B. Kuppen, steile Hänge) Erosion und Feinbodenverluste. Standorte mit einem deutlichen Anteil von Grobmaterial („Bodenskelett“) können an den in der obigen Liste mit „*“ markierten Kalkskelettzeigern erkannt werden. Auf einseitige Nährstoffversorgung weisen hingegen nur die zusätzlich mit „!“ markierten Magerkeitszeiger hin. Auf feinbodenarmen Karbonatstandorten kommen Buche, Esche, Linde, Bergahorn, Lärche, Schwarzkiefer oder Rotföhre grundsätzlich noch gut zurecht. Je nach Wasserversorgung sind auf diesen Standorten jedoch oft nur geringe bis durchschnittliche Zuwächse zu erwarten. Auf allen Karbonatstandorten muss berücksichtigt werden, dass kalkmeidende Arten wie Douglasie oder Roteiche nicht geeignet sind.

Fortsetzung folgt
Teil 2 des Beitrags, in dem wir uns mit den Wasser- und Wärmeverhältnissen von Standorten beschäftigen werden, folgt in der nächsten Ausgabe!

Streunutzungs- und Säurezeiger: Besenheide, blüht im Herbst.

Drahtschmiele als Säurezeiger: Brombeere zeigt etwas bessere Verhältnisse.

Basenzeiger: Kriech-Günsel, mit Ausläufern bildet er oft größere Herden.

Basenzeiger: Goldnessel, in Wäldern oft nur ohne Blüten zu finden.

Bingelkraut, blüht unauffällig und zeigt besonders gute Basenversorgung an.

Lungenkraut („Hänsel und Gretel“), zeigt besonders gute Basenversorgung an.

Karbonatzeiger magerer Standorte: Schnee-Heide, blüht im Vorfrühling.

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