Ohne Forststraßen kein Auerwild!

Artikel aus Ausgabe 3/2023

Das klingt für manchen Naturschützer fast etwas provokativ, die Lebensraumansprüche des Auerwilds setzen aber lichte Waldstrukturen voraus, die mit einer aktiven Waldbewirtschaftung - für die es wieder eine Grund- erschließung braucht - sehr unterstützt werden können. Hauptproblem für die Auerwildbiotope stellt das Zuwachsen der Waldbestände dar, das sich mit der Klimaänderung jetzt sogar noch verstärkt.

Beunruhigungseffekte durch Tourismus- und Freizeitnutzung spielen zwar auch eine Rolle, aber ohne lichte Wälder ist das Biotop im Vorhinein schon nicht für Auerwild besiedelbar.

Lebensraumgestaltung – Rotierendes Mosaik

Einerseits bieten Forststraßen für sich schon sehr gute Bestandesöffnungen an, die sich als Flugschneisen, als sonniger Aufenthaltsort, als „Huderstellen“ oder für die Aufnahme von Magensteinchen dienen. Andererseits sind Forststraßen die Voraussetzung für eine aktive Waldbewirtschaftung, um strukturreiche lichte Althölzer zu erreichen. Der Mitautor der neuen Auerwildstudie Thomas Huber bekräftigte bei der Präsentation der neuen Studie die Wichtigkeit der Forststraße mit der Aussage, dass man Auerwild oft in der Nähe von Forststraßen findet.

Für die Auerwild- Habitate sind die Öffnungen in den Waldbeständen zentral wichtig. Es braucht ein Netz von Flugschneisen, um größere Lichtungen wie diese bei Mooren vorherrschen zu erreichen. Das Schlagen von solchen Schneisen überschneidet sich mit Waldbaumaßnahmen zur Verjüngungseinleitung. Der Waldbesitzer muss dazu nur wissen, wo und wie diese gemacht werden müssen. Diese Öffnungen sorgen auch für eine gute Bodenvegetation mit Heidelbeere, die eine sehr beliebte Nahrungspflanze darstellt (Knospen, Blätter, Blüten und Beeren) und gleichzeitig auch als Deckung dienen kann. Hier können sich hohe Schalenwildbestände, die zu einem starken Zurückbeißen der Heidelbeere führen, sehr negativ auswirken.

Als besonders wichtig zur Gestaltung eines guten Auerwildlebensraumes wird ein „rotierendes Mosaik“ gesehen. Lichtungen und Altholzbeständen sollen sich auf einer größeren Fläche in zeitlicher Abfolge abwechseln. Der Nadelholzanteil der Wälder soll über Zweidrittel sein und ein lichter Kronenschluss zwischen 50 und 60 Prozent ist ideal. Damit stellt der montane bis hochmontane Nadelwaldgürtel ein potenzieller Lebensraum für das Auerwild dar. Wenn Habitate gezielt gepflegt werden, nutzen die Vögel normalerweise diese bereits nach kurzer Zeit, selbstverständlich nur dann, wenn noch eine Population im Gebiet vorhanden ist.

In Vorarlberg gibt es mehrere relativ gute Teilpopulationen, die genetische Diversität ist nach den neuen Untersuchungen eigentlich ganz gut, aber der abnehmende Austausch zwischen den Populationen ist bereits gut erkennbar. Diverse Populationen mit weniger Inzucht haben langfristig höhere Überlebenschancen und sind in der Lage mit sich ändernden Umweltbedingungen zurecht zu kommen. In Vorarlberg wurde in der neuen Studie zwischen vier Vorkommenszentren unterschieden: Gebiete im Montafon und Klostertal, am Bürserberg, im Dornbirner Firstgebiet und dem Bregenzerwaldgebirge und dem Grenzgebiet mit einem guten Austausch zum Allgäu.
Die Lebensraumpflege ist für Gebiete sehr wichtig, in denen Auerwild noch vorhanden ist, aber auch zur Vernetzung der Populationen sind geeignete Lebensräume, sogenannte „Trittsteinbiotope“ zu gestalten. In der Studie wurden dazu auch die potenziell möglichen Lebensräume erhoben und kartiert.

Biologie und die Lebensraumansprüche des Auerwildes

Der etwa vier Kilogramm schwere Hahn mit einer Flügelspannweite von 100 cm ist unser größter Bodenvogel (die Henne ist etwa halb so groß, zweitgrößter Waldvogel ist das Haselhuhn). Das tagaktive Auerwild ist als Bodenvogel im Sommer am Waldboden und im Winter im Kronendach zu finden. Die Nächte werden auf sogenannten „Schlafbäumen“ verbracht. Etwa fünf bis acht Eier sind in einem Gelege. Die Küken sind, wie bei allen Hühnervögeln, Nestflüchter und verlassen bereits nach einem Tag das Nest. Besonders die ersten zwei Wochen sind kritisch, da die Küken in dieser Zeit ihre Körpertemperatur noch nicht selbst regulieren können und deshalb von der Henne immer wieder „gehudert“ werden müssen (Sandbad). Unter „hudern“ versteht man, wenn die Henne ihre Küken zum Wärmen unter ihre Schwingen nimmt. Davon leitet sich auch die Redewendung „Jemanden unter seine Fittiche nehmen“ ab. In dieser Zeit spielt auch das tierische Eiweiß in Form von Insekten oder Ameisen in der Nahrungsaufnahme eine große Rolle. Bereits mit etwa zehn Tagen können die Jungvögel kurze Strecken fliegen und auch schon „aufbaumen“, also auf Bäume fliegen.

Im September lösen sich schließlich die „Gesperre“ auf (Einheit von Mutter- und Jungtieren). Im Winter lebt das Auerwild in den Kronen und ernährt sich von den Nadeln von Kiefer, Lärche, Tanne oder Fichte (Reihenfolge ist auch Beliebtheit der Nadeln, je nach Vorkommen der Baumarten). Hier spielt der spezielle Verdauungsaufschluss im Blinddarm mit Bakterien eine wichtige Rolle. Das Auerwild ist grundsätzlich kein schlechter Flieger. Der dominierende schöne Stoß bei der Balz ermöglicht im Alltag eine gute Flugsteuerung. Aber der Start stellt mit vier Kilogramm ein gewisses Problem dar. Hier braucht es entsprechende Bestandesöffnungen. Ein Netz von Flugschneisen ist sehr wichtig, um auch einem Hauptfeind dem Adler zu entkommen. Ein Hahn hat ein Streifgebiet von etwa 600 Hektar. Junghennen können Strecken von etwa 10 bis 15 km zurücklegen. Das Wechseln der Talseiten stellt überhaupt kein Problem dar. Zur Vernetzung von Populationen müssen diese Grenzen allerdings berücksichtigt werden.

Fakten & Details

Forstliche Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung
• Auflichtung von Waldbereichen – Reduzierung des Kronenschlusses (0,5 – 0,7)
• Anlegen von Flugschneisen
• Schaffung bzw. Vergrößerung von Lücken – Erhöhung des Grenzlinienanteiles
• Forststraßen – Entfernung von Böschungsbewuchs (Achtung Haselhuhn!)
• Entfernen bzw. Zusammenwerfen von Astmaterial
• Sichtbarmachung von Flughindernissen
• Optimierung der Bodenvegetation – Das Spiel mit dem Licht
• Vorausschauende Planung – das Prinzip des „rotierenden Mosaiks“

Infos

Auerwildstudie Vorarlberg 2023
Im Auftrag des Landes Vorarlberg und in Kooperation mit der Vorarlberger Jägerschaft, BirdLife Vorarlberg und der Stiftung Gamsfreiheit – die Studie wird derzeit fertiggestellt und steht dann zur Verfügung.
Wenn Nachweise von Auerwild gemacht werden bittet die Steuerungsgruppe „Auerhuhn in Vorarlberg“ dies zu melden, eine Info zur Erkennung von Auerwild und ein Formular zur Meldung stehen dort auch zur Verfügung.

Für eine aktive Waldbewirtschaftung brauchen wir Forststraßen, wie im Bild im Bereich Schnellvorsäß in Bezau. Das Auerwild nimmt die Flächen jetzt gerne an.

Landesrat Daniel Zadra dazu: „Eine Lebensraumverbesserung für das Auerwild ergibt eine Win-Win-Situation: Neben dem Auerwild profitiert auch eine aktive klimafitte Holznutzung.“

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