Sollte Ihnen schon beim Lesen der Überschrift das typische Fraßbild des Buchdruckers und rotnadelige Fichten vor Augen stehen, sollten Sie weiterlesen. Dieser Käfer zwingt uns umzudenken und bisherige Forstpraktiken zu hinterfragen. Der weit über sein natürliches Wuchsgebiet bis in alle Tallagen verbreitete langjährige Lieblingsbaum der Forstindustrie, die Fichte, hat mit dem Borkenkäfer, im Zuge des rasant voranschreitenden Klimawandels vermehrt zu kämpfen. Bilder von durch Sturm und Trockenheit geschädigten Wäldern, die anschließend dem Käfer als Massenbrutstätte dienen, sind allgegenwärtig.
Das richtige Timing
Für eine effektive Bekämpfung des Buchdruckers und weiterer Vertreter der Borkenkäfer ist neben einem modernen klimaangepassten Waldbau das richtige Timing von größter Bedeutung. Der Schwärm- und Befallsbeginn im Frühjahr sind dabei die wichtigsten Kenngrößen, um zeitgerecht nach frisch befallenen Bäumen im Bestand zu suchen. Die regelmäßige Kontrolle im Bestand ist allerdings zeitaufwendig und nicht für alle Waldbesitzer:innen so engmaschig durchführbar. Seit 2007 gibt es die von der Universität für Bodenkultur Wien entwickelte Software PHENIPS, um die Entwicklungszeitpunkte des Buchdruckers in ganz Österreich mit Hilfe von aktuellen Klimadaten zu berechnen.
Eine neue Studie stützt sich nun auf Jahrtausende altes Wissen und nützt die genaue Beobachtung der Natur als Prognose und Signal. Phänologische Ereignisse ausgewählter Baum- und Straucharten werden zur Bestimmung des Zeitpunktes der einzelnen Entwicklungsphasen des Buchdruckers herangezogen. Hierfür wird die Tatsache genützt, dass alle Lebewesen an einem Standort denselben kleinklimatischen Bedingungen ausgesetzt sind und ihre Entwicklung darauf abstimmen müssen. Natürliche Klimafaktoren wie geographische Breite, topografische Höhe und Exposition, Bodenaufbau und Bodenbedeckung liefern die lokale Grundlage. Wetterelemente, die sich von Jahr zu Jahr in ihrer Intensität ändern können, sind zum Beispiel Niederschlagsmenge und Temperatur. Hinzu kommt als wortwörtlicher Brandbeschleuniger der Klimawandel.
Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, kurz ZAMG, sammelt bereits seit dem späten 19. Jahrhundert phänologische Daten aus ganz Österreich. Phänologie bezeichnet die Lehre der Entwicklungszustände der Pflanzen und des Verhaltens der Tiere im Jahresverlauf. Schon seit der Jungsteinzeit beobachten wir Pflanzen und Tiere und überliefern das gesammelte Wissen. Wir beobachten markante Entwicklungsphasen wie Blattaustrieb, Blüte oder Fruchtreife. Imker beobachten den ersten Reinigungsflug ihrer Bienen und der erste Zitronenfalter oder die erste Schwalbe zeigen uns das Fortschreiten des Frühlings an.
Die Zeigerpflanzen
Basierend auf dem Datensatz der ZAMG und Temperaturdaten wurden die Entwicklungszeitpunkte des Buchdruckers mit Hilfe von PHENIPS für die letzten zehn Jahre berechnet. Auf diese Weise war es möglich nach Zusammenhängen von der Phänologie ausgewählter Baum- und Straucharten mit der Phänologie des Buchdruckers zu suchen. Insgesamt wurden dabei 65 als „Artphasen“ bezeichnete Kombinationen von Pflanzenart und deren Entwicklungsphase mit sieben Entwicklungsphasen des Buchdruckers verglichen. Acht leicht zu erkennende „Zeigerpflanzen“ wurden schließlich ausgewählt, die mit einer bestimmten Entwicklungsphase einen starken Zusammenhang mit einer Entwicklungsphase des Buchdruckers haben.
Der nächste und entscheidende Schritt ist die Testung dieser Zeigerpflanzen im Gelände. Hier wird sich zeigen, welche der Pflanzen sich am besten eignen, um in den verschiedenen Wuchsgebieten Österreichs als Indikator für die Buchdruckerentwicklung zu dienen. Damit kommen Sie ins Spiel! Wir suchen österreichweit interessierte Waldbesitzer:innen, die in ihrem eigenen Bestand diesen Zusammenhang im Frühjahr 2023 und 2024 untersuchen wollen. Das dafür notwendige Wissen und die entsprechenden Materialien werden in einer eintägigen Schulung zum Thema „integrales Borkenkäfermanagement“ in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien und der Bundeslehranstalt für Waldwirtschaft gebündelt übermittelt.
Die Teilnahme ist kostenlos und unverbindlich. Die Schulungen finden im November 2022 und Jänner 2023 in Kärnten, Steiermark und Oberösterreich statt. Alle Termine und weitere Informationen finden Sie unter www.wildoekologie.at/aktuelles. Das Projekt wird gefördert aus dem Waldfonds des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.