Die Biodiversität im Wald stärken

Artikel aus Ausgabe 2/2024

Die multifunktionalen Leistungen des Ökosystems Wald nehmen vor dem Hintergrund der globalen Klimaveränderung eine immer zentralere Rolle ein. Österreich ist ein Waldland, geprägt durch Bergwaldbewirtschaftung und Schutzwald sowie dem hohen Anteil an Familienbesitz.

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Ausgabe: 2/2024
Thema: Wald & Gesellschaft
Bundesland: Österreich
Autor:in: Lisa Christina Münzer, DI Kathrin Horvath

In über 172.000 Betrieben bietet die Wertschöpfungskette Holz rund 300.000 Menschen einen Arbeitsplatz. Forst-Holz-Papier ist mit einem jährlichen Produktionswert von rund 12 Mrd. Euro eine Schlüsselbranche und größter Investor im ländlichen Raum, wodurch Arbeitsplätze geschaffen und Infrastruktur ausgebaut wird (vgl. FHP 2020). Zusätzlich dient Wald in anderen Bereichen als Wirtschaftstreiber, vor allem für den Tourismus sowie die Freizeitwirtschaft.

Beziehung zum Holz gehört zur menschlichen Natur

Das Bewusstsein für eine nachhaltige Waldwirtschaft ist tief verankert. „Die Beziehung zum Holz gehört zur menschlichen Natur“ und das mit Holz verbundene Knowhow ist ein „anthropologischer Urbestand der Menschheit“, es gehört zur „Natur des Menschen“. Wald und Holz sind die „Basis von Leben, Wirtschaft und Kultur“ (Radkau 2018). Dass sie auch heute noch eine wesentliche Rolle spielen, wird durch unsere enge Verbindung mit dem Wald und den Erwartungen an den Wald deutlich. Für den nachwachsenden Rohstoff Holz gibt es ebenso keine Alternative wie für das Ökosystem Wald.

Regionales Spezialwissen gewinnt an Bedeutung

Nun stehen unsere Wälder vor immer größeren Herausforderungen. Neben dem Klimawandel steigt der Druck auf die Fläche durch Neobiota sowie die wachsende Nachfrage nach Biomasse. Veränderungen in den Lebensraumstrukturen führen zu starken Veränderungen in den Lebensgemeinschaften. Um Wald weiterhin zu nutzen und gleichzeitig den Schutz der Arten zu garantieren, braucht es ein nachhaltiges Management mit multifunktionaler Bewirtschaftung, das die Förderung der Biodiversität inkludiert. Auch wenn es bereits etliche Maßnahmenangebote zur Steigerung der Biodiversität im Wald gibt, ist es für Waldbewirtschafter:innen nicht einfach, konkretes Wissen über Vorkommen von Wertelementen der Biodiversität in der eigenen Waldregion zu erlangen und zu erfahren, was gerade in ihrem Wald zurzeit besonders wichtig zum Schutz der Lebensräume und
Arten wäre.

BIMUWA: Innovativer freiwilliger Biodiversitätsschutz

Genau hier setzt das Projekt „Biodiversität und multifunktionale Bewirtschaftung im Wald“ (BIMUWA) an. Hier wurden am Beispiel der PEFC-Region 6 „Östliche Zwischenalpen“ Maßnahmenvorschläge für Waldbewirtschafter:innen erarbeitet. Besonders regional gefährdete Arten und Lebensräume standen im Fokus und wurden hinsichtlich ihres Rote-Liste-Gefährdungsgrads priorisiert. Arten, die entweder weltweit nur oder hauptsächlich in Österreich auftreten sowie jene, die in Österreich vorwiegend in der Modellregion PEFC-Region 6 zu finden sind, wurden am höchsten gewertet. Für jedes Wuchsgebiet der Modellregion wurde ein eigenes Biodiversitätsleitbild erstellt und regionalspezifische integrative Naturschutzmaßnahmen abgeleitet, die in einem Handlungsleitfaden mit Merkblättern für die Biodiversitätsförderung im Wald dargestellt sind. BIMUWA bietet damit einen innovativen, wissenschaftlich fundierten Ansatz zum freiwilligen Biodiversitätsschutz im Wald, der regionales Wissen und Handlungsempfehlungen zu Arten und Lebensräume benutzerfreundlich aufbereitet.

Biodiversitätsförderung in der forstlichen Praxis

Mithilfe des BIMUWA-Leitfadens ist es jedem Waldbesitzer und jeder Waldbesitzerin möglich, einen individuellen Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten. So kann z.B. in breiteren Bereichen wie Totholz, Strukturvielfalt oder der Schaffung von Kleinstrukturen, im unterschiedlichen Ausmaß viel getan werden. Aber auch für spezielle Lebensräume wie seltene Waldbiotoptypen und Moore oder seltene Tier- und Pflanzenarten gibt es Vorschläge, die in das jeweilige Betriebskonzept eingebettet werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Förderung von Totholz, die mit wenig finanziellem Aufwand umsetzbar ist. Totholz ist nicht nur ein bedeutender Indikator für Artenvielfalt, sondern Lebensraum für zahllose Organismen wie Pilze, Flechten, Insekten oder Vögel. Dafür ist neben liegendem, vor allem stehendes und dickstämmiges (BHD > 20 cm) Totholz ökologisch sinnvoll.

Mit mehr Aufwand bzw. langfristigerer Planung ist die Erhöhung der Strukturvielfalt verbunden. Hierbei geht es um die Schaffung von horizontalen und vertikalen Strukturen sowie der
Baumartenvielfalt. Die Frage nach der Baumartenzusammensetzung sowie nach der Bewirtschaftungsweise ist besonders vor dem Hintergrund des Klimawandels und einer notwendigen Widerstandsfähigkeit unserer Wälder relevant. Neben positiven Effekten auf Produktivität und Stabilität gegenüber biotischen und abiotischen Faktoren, wirkt sich die Erhöhung der Strukturvielfalt auch positiv auf die Artenvielfalt aus. Zusätzlich können sich verschiedene Baumarten gegenseitig positiv beeinflussen und die Bodenqualität kann verbessert werden. Maßnahmenvorschläge betreffen hier alle Stadien der Nutzung. Bei der Durchforstung geht es vor allem um die Förderung von typischen Strauchschichten und Mischbaumarten, während es bei der Endnutzung um die Anwendung kleinflächigerer Ernteverfahren geht, welche die Naturverjüngung fördern.

Die Förderung von Kleinstrukturen im und um den Wald herum unterstützt oft bereits gefährdete Organismen. Die Umsetzung von Maßnahmen wie der Strukturierung der Waldränder, das Anlegen von Ast- und Steinhaufen oder der Schutz von Quellfluren und Nassgallen kann in unterschiedlichsten Ausmaßen und damit verbundenen Ressourcen umgesetzt werden.
Die Förderung von Altholz- oder Biodiversitätsinseln und Biotopbäumen zählen zu den aufwändigeren Maßnahmenumsetzungen und dienen als Trittsteinbiotop für seltene oder gefährdete Arten. Hierbei spielt Zeit eine wichtige Rolle – gerade bei Altholz- und Biodiversitätsinseln bedarf es einem freiwilligen Nutzungsverzicht über mehrere Jahrzehnte. Dadurch sollen besondere Waldbiotoptypen und Sonderstandorte gefördert werden. Biotopbäume hingegen werden bei einer Durchforstung oder Endnutzung ausgewählt, indem besondere Wuchsformen, Spechthöhlen oder andere Merkmale beachtet und im Bestand belassen werden. Als optimal werden 5 Stück/ha mit einem BHD > 35 cm vorgeschlagen.

Von der Theorie zur Umsetzung

Für die erfolgreiche Einbindung von Naturschutzmaßnahmen in das bestehende Betriebskonzept ist es wichtig, dass sie ohne signifikanten Mehraufwand umsetzbar sind. BIMUWA bewertet die angeführten Maßnahmenvorschläge hinsichtlich Aufwand, Ressourceneinsatz und Kosten. So kann auch mit wenig Budget viel getan werden. Der BIMUWA Leitfaden informiert auch über verfügbare Fördermöglichkeiten, Finanzierungsansätze und spannende Folgeprojekte. Damit ist er ein essenzielles Werkzeug, das den Brückenschlag von Theorie zu Praxis ermöglicht.

Der Handlungsleitfaden kann kostenlos auf der Webseite der Österreichischen Bundesforste heruntergeladen werden: bundesforste.at > Service & Presse > Publikationen.

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