Bioökonomie: Unsere Wirtschaft ohne Erdöl

Artikel aus Ausgabe 4/2023

Bioökonomie ist der Schlüssel für eine Gesellschaft, die effizient mit Ressourcen umgeht. Die Chemieindustrie gewinnt Polymere aus Erdöl, die Grundlage für Kunststoffe sind – das geht auch mit Biomasse.

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Ausgabe: 4/2023
Thema: Wald & Gesellschaft
Bundesland: Burgenland
Autor:in: DI Stefan Zwettler

Die uneingeschränkte Nutzung fossiler Ressourcen hat vor allem in den Industrienationen für eine lange Phase kontinuierlichen wirtschaftlichen Wachstums gesorgt. Dessen ungeachtet stellt die fossil basierte Wirtschaft die Weltgemeinschaft heute vor große gesellschaftliche Herausforderungen, die rasch gelöst werden müssen. Seien es der Klimawandel und in der Folge die zunehmenden Umweltkatastrophen, die Versorgung der Weltbevölkerung mit sicheren Lebensmitteln, die globale Umweltverschmutzung, die zahlreichen Kriegsherde und Flüchtlingsströme oder die allgemeine Verknappung der Ressourcen. Bioökonomie wird als wichtiges Element zur Lösung komplexer und vernetzter Herausforderungen unserer Zeit und zur Erreichung wirtschaftlichen Wachstums gesehen.

Was ist Bioökonomie?

Das Konzept der Bioökonomie beschreibt die Transformation von einer auf Erdöl basierten Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft, in der fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Der Prozess der „Dekarbonisierung“, wie er im Fachjargon bezeichnet wird, versteht sich als zentrales Mittel für den Klimaschutz und als Hauptpfeiler der notwendigen Energiewende. Ziel ist es eine CO2-neutrale Wirtschaft zu erschaffen. Durch diese Transformation sollen Produkte und Prozesse innerhalb einer Volkswirtschaft nachhaltig erzeugt werden können. Die Bioökonomie orientiert sich dabei am Kreislaufprinzip der Natur und sieht den Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft als wesentliches Leitbild an. Im Sinne von Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit zielt sie auf die stufenweise Verwertung und Mehrfachnutzung von Ressourcen innerhalb eines Verarbeitungsbetriebes ab.

Die Maisspindel ist ein Paradebeispiel. Aus ihr werden verschiedenste Produkte, von Katzenstreu bis Leichtbaumaterial hergestellt. Sie wird auch zur Energiegewinnung genutzt. Noch vor wenigen Jahren war sie ein Abfallprodukt.

Hohe Erwartungen

Die europäische Kommission erwartet, dass die Bioökonomie eine Umwandlung in eine ressourceneffiziente Gesellschaft unterstützt, die bei der Bewältigung des Klimawandels und der Sicherstellung der Lebensmittelversorgung hilft.

Gleichzeitig soll sie zur Befriedigung von Konsumbedürfnissen und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Europas Wirtschaft beitragen. Wichtige Sektoren der Bioökonomie sind Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Nahrungsmittelerzeugung, Zellstoff- und Papierindustrie, chemische Industrie, Pharmaindustrie, biotechnische Industrie und Bioenergie. Neben der Produktion und Umwandlung erneuerbarer biologischer Ressourcen soll eine biobasierte Wirtschaft die regionale Wertschöpfung erhöhen, einen nachwachsenden Wohlstand sichern und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen. Subsumiert unter dem Begriff des grünen Wachstums wird damit schließlich der nachhaltige,
sorgsame Umgang mit den wichtigsten Naturgütern, wie Trinkwasser, fruchtbare Böden, saubere Luft und Biodiversität in Verbindung gebracht.

Im Jahr 2012 hat die EU-Kommission eine Europäische Bioökonomie-Strategie vorgelegt, die auf der sogenannten Lissabon-Strategie des Jahres 2000 aufbaut. Ziel war es, die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu entwickeln. Heute erwirtschaftet der europäische Bioökonomiesektor eine Wertschöpfung von rund zwei Billionen Euro und sichert dabei 22 Millionen
Arbeitsplätze. Über das EU-Forschungsprogramm „Horizon 2020“ stehen 3,85 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung, um den Prozess innovativ und effizient voran zu treiben. Vor allem die skandinavischen Länder Finnland und Schweden, aber auch Dänemark, Deutschland, Spanien, Belgien, die Niederlande und Irland springen auf den Zug auf und haben eigene Bioökonomiestrategien entwickelt. Während Deutschland auf die sogenannte weiße Biotechnologie setzt und die Pflanzenbiotechnologie und -züchtung sowie Agrartechnik in den
Fokus des Interesses setzt, bauen die Skandinavier den forstwirtschaftlichen Sektor voll aus. Es geht dort vor allem um Clusterprogramme für Zellulose und Bioraffinerien und um die Stärkung der Bioenergie.

Auch ein Holzhaus ist Bioökonomie, da es Baustoffe ersetzt, die für ihre Herstellung Unmengen an fossilen Energieträgern benötigen. Zudem entzieht das Haus CO2 aus dem Kreislauf und entlastet so das Klima.

Und Österreich?

Österreich, das in hohem Maß über Rohstoffe, Technologien, qualifizierte Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen
verfügt, hat zwar Konzepte in der Schublade, aber sich bis heute noch nicht zu einer eigenen Bioökonomiestrategie durchringen können.
Durch eine Bündelung aller relevanten Kräfte sollte es möglich sein, Rahmenbedingungen zu gestalten und Handlungsfelder zu definieren. Viele Branchen sehen darin eine Riesenchance. Durch eine vertiefende Grundlagenforschung können neue Innovationen entwickelt und mehr Wertschöpfung generiert werden, sind sich die Experten einig.

Fakten & Details

Wir leben zweifellos im Erdölzeitalter. Unser Wirtschaftssystem ist in hohem Maß von diesem fossilen Rohstoff abhängig. Aus ihm werden Treibstoffe aber auch Grundstoffe für die Chemieund Pharmaindustrie hergestellt. Da eine Welt ohne Kunststoffe kaum noch vorstellbar ist, Öl aber bald nicht mehr verfügbar sein wird, wird seit einiger Zeit an Alternativen gearbeitet. Biomasse wird in Zukunft der Rohstoff sein, der die Welt zusammenhält. Dazu gibt es neue Begriffe:

  • Die Bioökonomie ist ein Wirtschaftssystem, das ohne fossile Rohstoffe auskommt. Bioökonomie ist die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung biologischer Ressourcen, um Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems bereitzustellen.
  • Die Biotechnologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Nutzung von Enzymen, Zellen und ganzen Organismen in technischen Anwendungen beschäftigt. Ziele sind unter anderem die Entwicklung neuer oder effizienterer Verfahren zur Herstellung chemischer Verbindungen und von Diagnosemethoden. Die Grundlage bilden chemische Reaktionen, die von freien oder in Zellen vorliegenden Enzymen katalysiert werden.
  • Die Bioraffinerie verarbeitet verschiedene Produkte (z.B. Xylit-Zucker, Viskose, Terpentin, Tallöl etc.). Das sind zum einen stoffliche Produkte, wie Nahrungs- und Futtermittel, sowie Grund- und Feinchemikalien für die chemische Industrie. Die Produkte werden aus dem Rohstoff isoliert oder durch verschiedene chemische Verfahren aus diesem erzeugt. Zum anderen kann das Produkt Energie in Form von Kraftstoffen, Strom oder Wärme sein.
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