Die Land- und Forstwirtschaft ist in den letzten Jahren – zu Unrecht – immer wieder zum Hauptverantwortlichen für die Klimakrise und ganz besonders auch für den weltweiten Artenschwund gemacht worden. Das führte jedoch dazu, dass die EU-Waldstrategie, die im Sommer vorgelegt wurde, diesbezüglich eine Reihe von einschneidenden Maßnahmen für die Waldbesitzer:innen und -bewirtschafter:innen vorsieht. Unter anderem sollen etwa 30 Prozent der Landfläche geschützt und zehn Prozent davon unter strengen Schutz gestellt werden. Flächige Stilllegungen von Waldgebieten, auch im Wirtschaftswald, sind ebenfalls Teil der EU-Strategie.
Sensationelle Ergebnisse
Ein Zugang, dem Waldbesitzer wenig abgewinnen können. Im Gegenteil: Sie wissen aus ihrer teils langjährigen Erfahrung und Praxis, dass ein gepflegter und bewirtschafteter Wald genauso zum Klima- und Artenschutz beiträgt. Und das wurde nun in einem Forschungsprojekt, das die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer Steiermark im Lehrforst Pichl durchgeführt hat, auch schwarz auf weiß belegt. „Die über das Forschungsprojekt entdeckte Artenvielfalt hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen“, zeigt sich Stefan Zwettler, Leiter der Forstabteilung der LK Steiermark begeistert über die sensationellen Ergebnisse. Die Studie belegt eindeutig: Waldwirtschaft und Biodiversität stellen keinen Widerspruch dar!
Reiche Artenvielfalt
Für diese fachkundige Beweisführung wurde auf einer Waldfläche von 350 Hektar ein mehrjähriges Forschungsprojekt initiiert. Zahlreiche Wissenschaftler und Biologen, unter anderem vom Universalmuseum Joanneum, dem Öko-Team Graz und dem Bundesforschungszentrum Wald, haben in akribischer Kleinarbeit auf 13 unterschiedlichen Waldstandorten die Fauna und Flora genauestens unter die Lupe genommen.
In acht großen Arbeitsgruppen wurden Spinnentiere, Insekten, Weichtiere, Fledermäuse, Kleinsäuger, Tag- und Nachtschmetterlinge, Libellen, Heuschrecken, Vögel, Amphibien, Reptilien, Gefäßpflanzen, Flechten, Moose und Pilze nach ihrem Vorkommen untersucht. Die ersten Teilergebnisse stimmen die Experten überaus positiv; sie zeigen ganz klar, dass der bewirtschaftete Wald ein rundum vielfältiges und gesundes Ökosystem darstellt. So wurden im Lehrforst etwa 59 Vogelarten und 1.146 Pilzarten nachgewiesen. Auch solche, die deswegen von großer Bedeutung sind, weil sie mit Baumwurzeln eine Symbiose eingehen und die Bäume bei der Nährstoffaufnahme unterstützen. Diese Ergebnisse stützen übrigens auch die „Wiener Erklärung“, in der Waldbesitzer-Vertreter aus 16 europäischen Ländern ihre Bedenken gegen die EU-Waldstrategie darlegen und eine Kurskorrektur fordern.
Eindeutige positive Studienergebnisse
Viel Totholz! Auf den Waldflächen der FAST Pichl wurde weitaus mehr Totholz gefunden als erwartet – der Anteil beträgt bis zu 50 Festmeter pro Hektar. Neue Arten entdeckt! Es hat sich gezeigt, dass Baumeinzelindividuen maßgeblich zur Erhaltung von Rote-Liste-Arten beitragen. Es wurden bei Ameisen sogar unvermutete Arten entdeckt. Das Belassen von einigen Biotop-Bäumen hat einen wesentlich höheren Effekt, als ursprünglich angenommen. Hohe Tier- und Pflanzen-Vielfalt! Diese wird wesentlich durch kleinstandörtliche Besonderheiten wie Grundgestein, Lichtverhältnisse und Wasserversorgung bestimmt und gefördert.
Bejagung ist vorteilhaft! Flächen mit einer höheren Bejagungsintensität weisen einen sprunghaft höheren Anteil an wichtigen Mischbaumarten auf. Wechselnde Altersklassen! Wechselnde Strukturen und Altersklassen wirken sich trotz Nadelholzdominanz positiv auf die Vogelwelt aus. Hohe Biodiversität! Trotz jahrhundertelanger Bewirtschaftung der Waldgebiete ist die Biodiversität im Lehrforst nach wie vor sehr hoch.
„Mit dem Belassen einzelner Biotopbäume kann die Biodiversität im
Wald enorm gesteigert werden.“
Dip.-Ing. Stefan Zwettler
Reiche Artenvielfalt dank professioneller Waldbewirtschaftung
Große Vogel-Vielfalt
Insgesamt wurden im Lehrforst 59 Vogelarten nachgewiesen – 41 Arten sind Brutvögel; es gibt 1.101 Brutreviere. Zwölf Arten sind Nahrungsgäste, fünf Durchzügler und eine Vogelart wurde als Wintergast bestätigt. Am häufigsten kommen Buchfinken und Meisen vor.
Reiches Spinnen-Netz
Im Arbeitspaket Tierreich haben 22 Bearbeiter mehr als 2.000 Einzelproben gezogen und dabei ganze 54 Arten von Rinderwanzen, 24 Weberknecht-Arten – davon 11 Rote-Liste-Arten – und 280 Käferarten gefunden. Und: 80 verschiedene Spinnenarten wurden entdeckt!
Mehr als 1.000 Pilze
Im Forstgut Pichl wurden bis dato mehr als 1.146 Pilzarten gefunden. Diese kommen auf Bäumen, Gehölzen, stehendem und liegendem Holz und im Boden vor. Besonders bedeutend sind jene, die mit Baumwurzeln eine Symbiose eingehen und die Bäume bei der Nährstoffaufnahme unterstützen.
Hohe Ameisen-Dichte
Besonders auffällig ist im Lehrforst Pichl die hohe Dichte an Ameisen. Nicht weniger als sieben Unterarten konnten gefunden werden. Waldameisen sind ein ganz besonders wichtiger Teil des Ökosystems im Wald, da sie Forstschädlinge fressen, zur Bodenbelüftung beitragen usw.
Besondere Schneckenarten
Im dichten Reich der Tierwelt ist man auch auf 31 verschiedene Schneckenarten gestoßen – darunter so bemerkenswerte Arten wie die scharfgerippte Schließmundschnecke, die Achat-Felsenschnecke oder die weiße Streifenglanzschnecke, die kühle und feuchte Waldböden liebt.
Skorpionart neu entdeckt
Sechzehn Arten von Kleinsäugern – darunter viele Fledermäuse – sind ein weiterer Beweis für die hohe Artenvielfalt im Lehrwald.
Dazu wurden auch acht Arten der speziellen Gattung Pseudo-Skorpion nachgewiesen; eine davon ist sogar eine absolute Neuentdeckung.
Heuschrecken und Falter
Reiches Vorkommen zeigte sich im Bereich von Heuschrecken, Libellen sowie bei Tag- und Nachtfaltern. Gefunden wurden nicht weniger als 25 Heuschreckenarten, 11 Groß- und drei Kleinlibellen, 45 Arten an Tagfaltern und unglaubliche 273 Nachtfalter-Arten.
Reiches Reptilien-Vorkommen
Im Bereich der Reptilien sind die Experten auf insgesamt fünf Arten gestoßen – diese waren in diesem Gebiet auch zu erwarten. Konkret wurden Blindschleichen, Äskulapnattern, Schlingennattern und auch Ringelnattern gefunden. Sehr häufig anzutreffen ist der Feuersalamander.