LK Österreicher: Nur bewirtschafteter Wald kann seine vielfältigen Funktionen erfüllen

Jun 6, 2016 | Allgemein

Klartext-Veranstaltung zum Thema „Wem gehört der Wald wirklich“

Klagenfurt, 3. Juni 2016 – 48% der österreichischen Staatsfläche sind bewaldet (rund 4 Mio. ha). Dieser befindet sich zum überwiegenden Teil in Privatbesitz und erfüllt für die Gesellschaft zahlreiche Funktionen. Entsprechend positiv ist die Einstellung der Bürger dazu, 75% sehen in ihm einen wichtigen Teil der österreichischen Kultur. Die Forstwirtschaft und die Waldbesitzer sehen sich in letzter Zeit aber immer mehr mit Forderungen von Gruppierungen konfrontiert, die den Forst noch mehr zur Sport- und Freizeitgestaltung nutzen wollen (Anm: Generelle Öffnung der Forststraßen für Mountainbiker). Die Lenkung dieser Interessenvielfalt ist eine große Herausforderung und wurde daher zum Thema der aktuellen „Klartext“-Veranstaltung der LK Österreich in Klagenfurt gemacht, wo die Frage im Mittelpunkt stand: „Wem gehört der Wald wirklich?“.

Im Eigentum vieler Menschen und in der Verantwortung aller, die ihn nutzen

„Um unseren Lebensraum zu schützen, müssen wir vor allem die Wirtschaftlichkeit des Waldes bewahren“, brachte es Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, auf den Punkt. „Unsere Forstwirte holen nicht nur das Geld aus dem Wald, sondern investieren ihren Ertrag, obwohl sie das Ergebnis nicht erleben. Das ist gelebte Nachhaltigkeit, von der bäuerlichen Bevölkerung verinnerlichte Lebensart und ein wesentlicher Beitrag gegen den Klimawandel.“ Schließlich werde durch jeden Baum, der neu nachwachse, zusätzliches CO2, aufgenommen, und in jedem Stück Holz, das geerntet werde, bleibe der Kohlenstoff gebunden. Wird es als Möbel oder in Häusern verwendet, entstehe so ein zweiter Wald, in dem der Kohlenstoff über Jahrzehnte eingelagert bleibe.

„Wer das Augenmaß verliert und den Waldeigentümern gewisse Nutzungen vorschreiben oder verbieten will, verändert den Wald insgesamt und schafft einen Raum, der danach nicht mehr so umfassend alle Wünsche erfüllen kann, wie er dies heute tut. Daher kann es einen Eingriff, welcher Art auch immer, nur mit Zustimmung der Eigentümer und in enger Kooperation mit ihnen geben“, unterstreicht Schultes.

Mößler: Mehr Wertschätzung von Grundeigentum notwendig

Mehr Respekt gegenüber den Rechten der Grundeigentümer fordert auch der Kärntner LK-Präsident Johann Mößler. „Der Öffentlichkeit ist vor Augen zu führen, dass es sich hierbei um die Lebens- sowie Produktionsgrundlage der Land- und Forstwirte handelt.“ Dabei seien klare Regeln für die Nutzung unumgänglich. Garant dafür sei das Kärntner Forstgesetz in seiner aktuellen Form, an der nicht gerüttelt werden dürfe, so Mößler.

Der LK-Präsident spielt dabei auch auf die seit einiger Zeit im Bundesland zunehmende Diskussion um die Ausweitung der Natura 2000-Flächen – erstmals auf Wirtschaftswälder – an, was zu einer großen Verunsicherung bei den bäuerlichen Waldbesitzern führt. „Unsere Kärntner Wälder sind ein zentraler Wirtschaftsfaktor, von dem seine 20.000 Eigentümer und 18.000 Arbeitnehmer ihr Einkommen beziehen. Wer die Einschränkung der Bewirtschaftung fordert, muss sich im Klaren sein, dass er damit auch Jobs gefährdet und dem Klima schadet.“

Der Holzvorrat in Kärnten beträgt aktuell 178 Mio. Vorratsfestmeter, die Waldfläche wird täglich um 2 ha größer. Mit dem genutzten Holz werden jedes Jahr 420 Mio. Liter Heizöl ersetzt. Gleichzeitig finden Ruhesuchende, Wanderer und andere ausreichend Möglichkeit für ihre Freizeitaktivitäten. „Für Mountainbiker haben wir aktuell 2.700 km ausgewiesene Strecken. Nun geht es darum, bei Bedarf das Angebot zu schaffen, wo es sinnvoll ist und die Bewirtschaftung dadurch nicht eingeschränkt wird. Das Ziel muss aber Ordnung anstelle von Chaos im Wald sein“, so Mößler.

Schöppl: Koordinierung unterschiedlicher Interessen am Wald sind täglicher Spagat

Welch große Herausforderung es ist, die Interessenvielfalt zufriedenzustellen, weiß Georg Schöppl, Vorstand der Österreichischen Bundesforste (ÖBf). „Die meisten Menschen glauben, dass die gesamte Waldfläche Österreichs öffentliches Eigentum ist und daher von allen in jeder Form genutzt werden kann. In Wahrheit bewirtschaften die Bundesforste lediglich 15% (850.000 ha), überwiegend gehört der Wald Privatpersonen, die dessen Verwendung und die Ausübung von Eigentumsrechten definieren.“ Bei den Bundesforsten sei die Koordinierung der verschiedenen Interessen ein „täglicher Spagat“ für die Unternehmensleitung, die Umsetzung erfolge auf einem modernen Verständnis von Nachhaltigkeit, so der Vorstand. So stehen 50% der ÖBf-Waldflächen unter Naturschutz, bewirtschaftet wird nachhaltig und naturnah, unter Berücksichtigung natürlicher Ressourcen, während gleichzeitig die gesellschaftlichen Funktionen des Waldes – Sicherung der hohen Lebensqualität und die Schaffung von Freizeitangeboten, in Zusammenarbeit mit den Tourismusverantwortlichen – berücksichtigt werden.

So bieten die Bundesforste Mountainbikern ein Streckennetz von 2.100 km (Wien bis Palermo), 14.000 km Wanderwege (Wien bis Kapstadt), 620 km Reitwege, et cetera. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht funktioniert, eine Käseglocke über den Wald zu stülpen und versuchen daher einen Interessenausgleich mit attraktiven Angeboten bei gleichzeitiger Information und Bewusstseinsbildung, um die ureigenste Aufgabe des Waldes möglich zu machen“, erläutert Schöppl.

Dabei orientiert man sich am Bedarf. „Dort, wo es die Natur möglich macht und die Rahmenbedingungen es zulassen, sind wir aufgeschlossen“. Die Strategie laute aber, gezielte Lenkung, um ein Chaos zu vermeiden.

Bretschneider: Individualitätsgesellschaft schlägt nicht voll durch

Rudolf Bretschneider (GfK Austria), der seit mehr als zwei Jahrzehnten die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zur Landwirtschaft untersucht, hat in einer aktuellen Studie (1. Juni 2016) herausgefunden, dass das Interesse am Wald groß ist, dieser von 75% der Befragten als „Teil unserer Identität“ angesehen und sein Zustand von 69% als „besser denn in anderen Ländern“ beurteilt wird. Rund 83% sind der Meinung, dass die heimische Forstwirtschaft durch ihre Arbeit viel zur Erhaltung des Waldes beiträgt (2004: 75%), „seine ökonomische Nutzung hat für die Befragten nicht oberste Priorität, wird aber erkannt“, so Bretschneider, „80% unterstützen die nachhaltige Bewirtschaftung“. An seiner Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht hat sich seit 2003 nichts geändert: 22% der Befragten schätzen den Beitrag des Waldes zur CO2-Reduktion als „sehr groß“, weitere 52% als „eher groß“ ein.

Waldbesuche gibt es bei 31% der Befragten „mindestens einmal pro Woche“ (2003: 38%), 34% gehen „etwa einmal im Monat“ (2003: 29%) hin. Hauptaktivitäten sind dabei das Wandern, Spazierengehen (93%) und die Aussicht bewundern (49%), Laufen (23%) sowie Mountainbiken (10%) liegen im Mittelfeld. Generell ist die Nutzung ausgewiesener Forststraßen für Fahrräder mit 11% „mindestens einmal pro Woche“ nicht besonders hoch, 68% sind der Meinung, dass Mountainbiker auf nicht vorgesehenen Strecken andere Waldbesucher und das Wild stören. Für 29% gibt es ausreichend Routen für Mountainbiker, nur für 3% sollte es überall im Wald möglich sein. „Das zeigt, dass die Individualitätsgesellschaft nicht voll durchschlägt“, so Bretschneider. Er sieht nur bei einer kleinen Gruppe der Gesellschaft den Wunsch nach einem „Urwald“. „Diesen ist aber nicht bewusst, dass dieser das Ergebnis einer intensiven, planvollen Bewirtschaftung ist“, bringt es der Meinungsforscher auf den Punkt.

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