Beschwerdebrief an ORF

Dez 2, 2020 | Allgemein

Sehr geehrter Herr Doktor Erler!

Der Waldverband Österreich, der insgesamt 65.000 Wald besitzende Familien repräsentiert, legt hiermit offiziell Beschwerde gegen die Berichterstattung „WWF-Bericht sieht Wald in der Krise“ auf orf.at vom 27. November 2020 ein (WWF-Bericht sieht Wald in der Krise – news.ORF.at).
Der WWF ist eine auf Spenden angewiesene Organisation mit wirtschaftlichem Eigeninteresse und kann daher nicht als unabhängig angesehen werden, auch wenn sich dieser selbst gerne als solcher darstellt. Aus unserer Sicht hat der ORF eindeutig gegen das Objektivitäts- und Meinungsvielfaltsgebot verstoßen. Die vom WWF veröffentlichte Pressemitteilung und darin enthaltene Behauptungen wurden unreflektiert übernommen, ohne bei wissenschaftlichen Instituten, wie z.B. dem Bundesforschungszentrum für Wald rückzufragen.

In Österreich werden die Wälder auf Basis des Forstgesetzes und zahlreicher anderer Gesetze, wie den Landes-Naturschutzgesetzen bewirtschaftet. Bei einer Waldgeneration spricht man von rund 100 Jahren. Das heißt, dass Entwicklungen in Wäldern nur sehr langsam zu beobachten und zu messen sind. Dennoch hat sich seit Beginn der 2. Republik, der Wald war von den Siegermächten teilweise extrem ausgebeutet, enormes getan. Grundlage für die Nachvollziehbarkeit der Entwicklung des Waldes ist die Österreichische Waldinventur (ÖWI), die seit 1961 zahlreiche Wald-Parameter erhebt.

Nicht nur die Waldfläche hat in den letzten 60 Jahren um rund 330.000 ha (ca. Hälfte der Fläche des Bundeslandes Salzburg) zugenommen, auch der Holzvorrat ist um 50% auf über eine Milliarde Vorratsfestmeter gestiegen. Gleichzeitig haben sich wichtige Indikatoren für die Biodiversität verändert. So hat sich das „stehende Totholz“, seit 1980 mehr als verdoppelt. Die Anteile stärkerer Baumdurchmesser und von Laubholz haben ebenfalls deutlich zugenommen.

Immer wieder gibt es Forschungsarbeiten unabhängiger Wissenschaftler zum österreichischen Wald. Die 1997 von der Universität Wien (Prof. Grabherr) veröffentlichte Studie zur „Naturnähe österreichischer Wälder“ attestierte vor mittlerweile 23 Jahren, dass 25% des österreichischen Waldes als natürlich oder naturnah zu bezeichnen sind. Aufgrund der Entwicklung der ÖWI-Daten ist davon auszugehen, dass sich die bewirtschafteten Wälder seitdem noch weiter Richtung Naturnähe entwickelt haben. Dieser Wert passt mit der Aussage der „unabhängigen WWF-Studie“, nur 11% der Wälder in einem sehr guten Zustand, leider so gar nicht zusammen.

Der größte Treiber für die Beeinträchtigung der Biodiversität in Europa ist die Klimakrise, verursacht durch nach wie vor ungehemmten Verbrauch fossiler Rohstoffe. Lebensräume verändern sich, wodurch sich auch deren „Bewohner“ verändern werden. Weitere Folgen der Klimakrise, wie z.B. Hitzeperioden und fehlender Niederschlag, raubt den Bäumen die Widerstandskraft sich gegen Schadorganismen zur Wehr zu setzen. Leider sehr eindrucksvoll im Wald- und Mühlviertel zu beobachten. Die Klimakrise schreitet aber zu schnell voran, dass sich der Wald selbst daran anpassen kann. Daher ist es wichtig, dass die Wälder weiter gepflegt werden, um sie an die Klimakrise anzupassen. Dafür sind natürlich auch Forststraßen notwendig, um kleinflächige Pflegemaßnahmen umzusetzen. Diese Forststraßen sind, wie in einer Studie mehrerer Ökologiebüros veröffentlicht, nicht nur als fragmentierende Elemente zu sehen, sondern auch wichtige Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Auch wenn der Wald massiv von der Klimakrise betroffen ist, ist er auch Teil der Lösung, wie Ergebnisse der Studie „CareForParis“ eindrucksvoll zeigen. Durch die Verwendung von Holz als Rohstoff, anstelle anderer fossiler bzw. CO2-intensiver Rohstoffe, kann eine enorme Menge an CO2-Ausstoß verhindert werden. Dieser sogenannte Substitutionseffekt durch Holzprodukte ist um einiges größer und wirkungsvoller, als den Wald nur als Kohlenstoffspeicher zu betrachten und nicht mehr zu bewirtschaften.

Wir begrüßen sehr, dass der Publikumsrat im Rahmen von „Mutter Erde“ einen Programmschwerpunkt zum Themenbereich Baum-Wald-Holz empfiehlt, wie einer Pressemitteilung vom 26. November 2020 zu entnehmen ist. Dabei soll die Bedeutung des Waldes für die Gesellschaft und als unverzichtbarer Einkommensbestandteil in ländlichen Regionen für zigtausende Menschen dargestellt werden. Umso unverständlicher ist, dass zur gleichen Zeit angesprochene WWF-Mitteilung völlig unkritisch übernommen und online gestellt wurde.

Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Rosenstatter
Obmann Waldverband Österreich

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