Verbiss beeinflusst die Waldentwicklung

Artikel aus Ausgabe 2/2022

Der angestrebte Umbau von Reinbeständen hin zu klimafitten Mischwäldern kann nur mit entsprechendem Verjüngungs- erfolg erreicht werden. Gerade klimafitte Baumarten, wie Tanne, Douglasie, Lärche, Eiche und andere Edellaubhölzer, die in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen werden, sind Leckerbissen am Speiseplan heimischer Wildarten.

Starker Verbissdruck erschwert den Waldumbau in Richtung Laub- Nadel- Mischwälder wesentlich. Aktuelle Untersuchungen von Andrea Kupferschmid und Gerhard Hösl beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Wildverbiss. Vielfach wurden diese in der Vergangenheit unterschätzt.

Als besonders verbissgefährdet gelten die Weißtanne und alle Laubhölzer ausgenommen der Erlenarten, wobei Laubgehölze sowohl im Sommer als auch im Winter gerne vom Wild angenommen werden. Der Verbiss bei der Tanne beschränkt sich hingegen im Wesentlichen auf die Wintermonate. Auch die Reaktion auf Verbiss unterscheidet sich zwischen den Baumarten. So reagieren zum Beispiel Laubhölzer und Lärchen innerhalb kurzer Zeit mit dem Bilden neuer Leittriebe auf erfolgten Verbiss, wohingegen die Neubildung des Leittriebes bei den übrigen Nadelhölzern wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt. Ebenso wird die Auswirkung des Verbisses von der Verbissstärke beeinflusst. Werden nur Teile von Knospen bzw. einzelne Knospen verbissen hat dies eine geringe Auswirkung auf die weitere Baumentwicklung, da die benachbarten Knospen relativ rasch die Funktion der fehlenden Knospe übernehmen und den Zuwachsverlust dadurch kompensieren. Starker Verbiss größerer Teile des Leittriebes kann vielfach aufgrund der in der Folge fehlenden Ersatzknospen nur unzureichend kompensiert werden. Jungpflanzen verlieren durch starken Verbiss oft mehrere Jahre bis die ursprüngliche Baumhöhe wieder erreicht werden kann. Tritt Verbiss über mehrere Folgejahre auf, führt der Wachstumsverlust gegenüber unverbissenen Konkurrenzbaumarten zum Ausscheiden der Baumart aus der Oberschicht und somit langfristig zum Ausfall der Baumart im Bestand. Zusätzlich zum Wachstumsverlust wird die Qualität von verbissenen Pflanzen durch folglich auftretende Zwieselbildung und Schaftkrümmung gemindert.

Weißtanne ist besonders betroffen
Besonders stark betroffen von Verbiss ist die heimische Weißtanne. Einerseits wird sie bevorzugt verbissen, andererseits regeneriert sie sich besonders langsam nach erfolgtem Verbiss. Einschlägige Untersuchungen belegen, dass die Tanne nach starkem Verbiss 2 bis 3 Jahre braucht um die ursprüngliche Baumhöhe wiederherzustellen. Insbesondere, wenn die Tanne in Konkurrenz mit Fichten- oder Buchenverjüngung steht, kann bereits zweimaliger Verbiss ausreichen, dass betroffene Jungpflanzen nicht mehr mit der Konkurrenzbaumart mithalten können. Bevorzugt werden vorherrschende gutwüchsige Jungpflanzen verbissen, wodurch der Verlust an Konkurrenzstärke der verbissenen Mischbaumart zusätzlich ins Gewicht fällt. Laut Hösl (2021) sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Baumart mit steigendem Verbissprozent drastisch. Bei einem anhaltenden jährlichen Verbissprozent von 40 sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit des einzelnen Individuums bei mittlerer Standortsgüte auf unter 30 %. Bei einem Verbissprozent von 50 sinkt diese bereits auf nur noch 10 %. Das heißt von 1.000 Tannen erreichen nur 100 die Dickungsphase. Noch höhere Verbissprozente führen zum Totalausfall der betroffenen
Baumart. Verbissprozente bis 20 % der Individuen einer Baumart haben hingegen überschaubare Auswirkungen auf die Baumartenverteilung.

Schäden vorbeugen
Verbissschäden können durch geeignete Vorbeugungsmaßnahmen gezielt verhindert werden. Im Optimalfall werden jagdliche und forstliche Maßnahmen abgestimmt, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Waldverjüngung mit Mischbaumarten ist ein lebensraumangepasster Wildbestand. Unterstützend kann durch Schwerpunktbejagung auf Flächen mit Verjüngungsbedarf der Wilddruck reduziert werden. Reichen die jagdlichen Maßnahmen für den Schutz von seltenen Mischbaumarten nicht aus, bieten sich, je nach jahreszeitlichem Auftreten des Verbisses, unterschiedliche Schutzmaßnahmen an. Für den Schutz gegen Winterverbiss eignen sich besonders handelsübliche Streichmittel, die im Herbst auf die Terminaltriebe aufgebracht werden. Als mögliche Alternative können auch Verbissschutzmanschetten oder Schafwolle am Terminaltrieb angebracht werden. Sommerverbiss, vor allem an Laubgehölzen, lässt sich am Besten durch Monosäulen oder Baumschutzgitter verhindern. Zusätzlich bieten diese einen vollwertigen Schutz gegen Fegeschäden. Wird die Naturverjüngung auf verbissgefährdeten Standorten mit Mischbaumarten angestrebt, sind aufgrund des vielfach unterschätzten Ausmaßes von Keimlingsverbiss, eine intensive Bejagung oder ein flächiger Zaun die Mittel der Wahl. Bei größeren Aufforstungen von Mischbeständen, insbesondere von Edellaubhölzern, Tannen und fremdländischen Baumarten, können geeignete Zäune den jährlichen Arbeitseinsatz für Schutzmaßnahmen reduzieren. Wichtig ist es, Schutzzäune regelmäßig auf Lücken zu kontrollieren und diese nach dem Erreichen eines gesicherten Kulturstadiums wieder zu entfernen.
Die Vermeidung von Verbissschäden ist die Basis für einen erfolgreichen Waldumbau. Bereits geringer Verbissdruck von Mischbaumarten über mehrere Jahre kann zu einer Entmischung von Naturverjüngungen und Aufforstungen führen. Daher sollten rechtzeitig geeignete Maßnahmen zum Kulturschutz umgesetzt werden. Ein gutes Einvernehmen und eine intensive Zusammenarbeit mit den örtlichen Jägern erleichtert deren Umsetzung wesentlich. Im Optimalfall übt der Waldbauer die Jagd auf seinen Waldflächen selbst aus und kann so effizienten Kulturschutz und nachhaltige jagdliche Nutzung seines Eigentums vereinen. Die Vermeidung von selektivem Verbiss wird zukünftig jedenfalls an Bedeutung gewinnen.

Im Optimalfall werden jagdliche und forstliche Maßnahmen abgestimmt.

Durch wiederholten Verbiss verliert die Weißtanne mehrere Jahre an Höhenzuwachs und kann dadurch nicht mehr mit den Konkurrenzbaumarten mithalten.

Zwieselbildung ist eine häufige Folge von Verbiss.

Die Baumschutzgitter schützen vor Sommerverbiss an Laubgehölzen.

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