Ein Stück Wildnis

Artikel aus Ausgabe 1/2022

1993 wurde in Helsinki die Resolution der Ministerkonferenz zum Schutze der Wälder in Europa unterzeichnet. Damit hat sich Österreich verpflichtet, die Einrichtung eines Netzwerkes von besonders schützenswerten Wäldern voranzutreiben. Eine ähnliche Verpflichtung geht Österreich mit dem Bergwaldprotokoll zur Alpenkonvention ein.

Seit über 30 Jahren betreut der Tiroler Forstverein von Grundbesitzer*innen unentgeltlich zur Verfügung gestellte Naturwaldzellen in Tirol. Bisher konnten zwölf Naturwälder mit einer Fläche von insgesamt etwa 160 ha aus der Nutzung genommen werden.

Warum Naturwaldzellen?
Urwälder in Europa, also Wälder die nie forstwirtschaftlich genutzt wurden, sind sehr selten. In Österreich gibt es nur wenige Wälder, die dieser Bezeichnung gerecht werden. Der bekannteste ist der Rothwald im Wildnisgebiet Dürrenstein in Niederösterreich. In Urwäldern konnte sich die Natur ohne Einfluss des Menschen entwickeln. Solche Wälder sind ein unschätzbarer Wert für die Natur selbst, aber auch für die Forschung. Nur so kann ergründet werden, wie sich Waldökosysteme ohne Nutzungen langfristig entwickeln.

Es gibt in Österreich aber auch Wälder, die in der Vergangenheit wenig bewirtschaftet wurden. Sei es durch ihre ungünstige Lage oder auch aufgrund anderer Interessen der Eigentümer*innen. Diese Bestände sind weitgehend naturnah. Das heißt, dass dort viele Pflanzen und Tiere vorkommen, die hier ihren natürlichen Lebensraum haben. Sie sind reich an natürlichen Strukturen, Alt- und Totholz und weisen verschiedene Entwicklungsphasen auf.
Seit über 30 Jahren gibt es in Tirol das sogenannte Naturwaldzellenprogramm. Betreut wird dieses in Tirol seit jeher vom Tiroler Forstverein. Dabei werden aktiv solche naturnahen Waldflächen gesucht und in Absprache mit den Waldeigentümer*innen auf ihre Eignung hin begutachtet. Zudem gibt es seit 1996 in Österreich ein vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) betreutes Naturwaldreservate-Programm. Weiters werden von der Abteilung Umweltschutz des Landes Naturwaldreservate innerhalb von Tiroler Schutzgebieten betreut. Diese drei Programme ergänzen sich.

Um eine natürliche Entwicklung von Waldbeständen zu ermöglichen, werden bereits naturnahe Bestände als (kleinere) Naturwaldzellen bzw. (größere) Naturwaldreservate ausgeschieden. Ein besonderer Dank gilt hier den Waldeigentümer*innen, welche unentgeltlich auf eine Bewirtschaftung dieser Waldbereiche verzichten und damit einen großen Beitrag zum Natur- und Artenschutz und der Waldbiodiversität leisten. Um eine unbeeinflusste Entwicklung zu ermöglichen, ist in diesen Naturwaldzellen keinerlei forstlicher Eingriff mehr erlaubt. Auch ein Betreten der Fläche soll möglichst vermieden werden. Der angepasste Wildstand muss die Naturverjüngung der vorkommenden Baumarten zulassen.

Der Zustand der Wälder wird in gewissen Abständen evaluiert. Fällt ein wichtiges Kriterium für die Ausweisung weg oder ist die Einschränkung der Bewirtschaftung nicht mehr gewährleistet, werden solche Waldzellen auch wieder aus dem Programm ausgeschieden.

Naturwaldzellen in Tirol
In Tirol betreut der Forstverein derzeit zwölf Naturwaldzellen, die Waldgesellschaften vom submontanen Eichenmischwald über montanen Buchenmischwald bis zum subalpinen Zirbenwald umfassen. Besonders erwähnenswert ist beispielsweise der Ampasser Kessel, welcher von der Gemeinde-
gutsagrargemeinschaft Amraser Hochwald und der Agrargemeinschaft Ampass Zimmertal-Hochwald zur Verfügung gestellt wird. Eine besonders alte Zirbe mit geschätzten 700 Jahren ist das „Highlight“ dieser Naturwaldzelle. Eine reiche Flechtenflora mit geschützten Arten, wie z. B. der Rentierflechte macht den Wald zusätzlich wertvoll.

Weiters in Ampass findet sich die Naturwaldzelle Ampasser Hügel, die bereits seit 1998 vom Stift Wilten zur Verfügung gestellt wurde. Dieser besondere Wald ist ein Beispiel, wie zukünftige Wälder unter wärmeren Temperaturen aussehen könnten. Die strauchreichen Eichen- und Lindenmischwälder beheimaten über 400 verschiedene Pilzarten, was in Tirol wohl einzigartig ist.
Eine der ältesten Naturwaldzellen liegt in Serfaus und wird von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Serfaus zur Verfügung gestellt. Sie besteht nunmehr seit 1983 und garantiert daher bereits eine längerfristige Außernutzungstellung. Bemerkenswert sind die hohen Artenzahlen, mit vorkommenden Pflanzen wie Heilglöckchen und Süßklee sowie geschützte Steinbrech-Arten, bedingt durch ein basenreiches Substrat der kalkreichen Bündnerschiefer. An Waldgesellschaften sind zwergstrauch- und hochstaudenreiche subalpine Lärchen- und Fichtenwälder vertreten.

Die größte Naturwaldzelle im Schachtnerwald wird von der Gemeindegutsagrargemeinschaft Kolsassberg zur Verfügung gestellt. Auch die dort vorkommenden subalpinen Nadelmischwälder auf bodensauren Standorten sind schützenswerte Wälder. Im hochsubalpinen Bereich stehen einige über 200 Jahre alte Zirben. Dieser Natura 2000-Lebensraumtyp wird in den Roten Listen österreichweit als „gefährdet“ eingestuft und ist daher besonders schützenswert. Auch hier kommen seltene, geschützte Flechten, wie die – giftige – Wolfsflechte und diverse Bartflechten vor.
Im Gegensatz dazu befindet sich eine kleine, aber durchaus wertvolle Naturwaldzelle in Kufstein – Thierberg mit 0,5 Hektar Größe. Diese wird von den privaten Eigentümern der Natur überlassen, obwohl es sich um einen wüchsigen Wirtschaftswald handelt. Ein hoher Anteil an Edellaubbäumen, wie Bergahorn, Bergulme, Sommerlinde und Stieleiche sowie die geschützte Eibe sind neben der Rotbuche und mächtigen alten Tannen charakteristisch. Beeindruckend ist vor allem der hohe Totholzanteil mit ca. 50 m³ pro Hektar, welcher vielen spezialisierten Tieren und Pilzen zu Gute kommt.

Die erwähnten Naturwaldzellen sind nur ein Ausschnitt. Auf der Seite des Tiroler Forstvereines www.tiroler-forstverein.at findet man unter „Projekte – Naturwaldzellen“ alle vom Tiroler Forstverein betreuten Naturwaldreservate.
Falls auch Sie einen besonderen Wald(teil) besitzen, den Sie gerne der Natur überlassen und ihn unter Schutz stellen wollen, können Sie uns unter
office@tiroler-forstverein.at oder 0676/88 508 4564 gerne kontaktieren.

Die Naturwaldzellen werden vom Tiroler Forstverein betreut.

Naturwaldzellen werden aus der Nutzung genommen.

Moorwälder sind außergewöhnliche, schützenswerte Besonderheiten.

Ungestörte Bachwälder beherbergen oft seltene Waldgesellschaften.

Unverbaute Auwälder sind in Tirol eine Seltenheit.

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