Auerwild: „Sie mögens!“

Artikel aus Ausgabe 4/2021

Das war die Aussage von DI Thomas Huber, Wildbiologe aus Kärnten zu Forststraßen in Bezug auf die Lebensansprüche von Auerwild. Weshalb das so ist, lesen Sie weiter unten.

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Ausgabe: 4/2021
Thema: Wald & Wild
Bundesland: Vorarlberg
Autor:in: DI Thomas Ölz

Im Rahmen der derzeit durchgeführten Grundlagenstudie zum Auerwild in Vorarlberg fanden Anfang September Informationsveranstaltungen zu Lebensansprüchen und Habitatsgestaltung für das Auerwild im Bereich Bregenzerwald-Dornbirner First und Kristberg-Silbertal statt. In einem Einführungsvortrag ging der als absoluter Auerwild-Praxisexperte geltende Wildbiologe aus Kärnten Thomas Huber auf die Biologie und die Lebensraumansprüche des Auerwildes ein. Der etwa vier Kilogramm schwere Hahn mit einer Flügelspannweite von 100 cm ist unser größter Bodenvogel (die Henne ist etwa halb so groß, zweitgrößter Waldvogel ist das Haselhuhn). Das tagaktive Auerwild ist als Bodenvogel im Sommer am Waldboden und im Winter im Kronendach zu finden.

Die Nächte werden auf sogenannten „Schlafbäumen“ verbracht. Etwa 5 bis 8 Eier sind in einem Gelege. Die Küken sind, wie bei allen Hühnervögeln, Nestflüchter und verlassen bereits nach einem Tag das Nest. Besonders die ersten zwei Wochen sind kritisch, da die Küken in dieser Zeit ihre Körpertemperatur noch nicht selbst regulieren können und deshalb von der Henne immer wieder „gehudert“ werden müssen (Sandbad). Unter „hudern“ versteht man, wenn die Henne ihre Küken zum Wärmen unter ihre Schwingen nimmt.

Davon leitet sich auch die Redewendung „Jemanden unter seine Fittiche nehmen“ ab. In dieser Zeit spielt auch das tierische Eiweiß in Form von Insekten oder Ameisen in der Nahrungsaufnahme eine große Rolle. Bereits mit etwa zehn Tagen können die Jungvögel kurze Strecken fliegen und auch schon „aufbaumen“, also auf Bäume fliegen. Im September lösen sich schließlich die „Gesperre“ (Einheit von Mutter- und Jungtieren) auf. Im Winter lebt das Auerwild in den Kronen und ernährt sich von den Nadeln von Kiefer, Lärche, Tanne oder Fichte (Reihenfolge ist auch Beliebtheit der Nadeln, je nach Vorkommen der Baumarten). Hier spielt der spezielle Verdauungsaufschluss im Blinddarm mit Bakterien eine wichtige Rolle. Das Auerwild ist grundsätzlich kein schlechter Flieger. Der dominierende schöne Stoß bei der Balz ermöglicht im Alltag eine gute Flugsteuerung.

Aber der Start stellt mit vier Kilogramm ein gewisses Problem dar. Hier braucht es entsprechende Bestandesöffnungen. Ein Netz von Flugschneisen ist sehr wichtig, um auch einem Hauptfeind, dem Adler, zu entkommen. Ein Hahn hat ein Streifgebiet von rund 600 Hektar. Junghennen können Strecken von etwa 10 bis 15 km zurücklegen. Das Wechseln der Talseiten stellt überhaupt kein Problem dar. Zur Vernetzung von Populationen müssen diese Grenzen allerdings berücksichtigt werden.

Schlüsselfaktoren
Als Schlüsselfaktoren für den Lebensraum nennt Thomas Huber lichte ausgedehnte Waldbestände mit strukturreichen und stufigen Althölzern. Der Nadelholzanteil sollte nicht unter Zweidrittel sein. Viele Randzonen und Grenzlinien sind von Vorteil. Durch einen lichten Kronenschluss ist auch die Strauch- und Bodenvegetation gut ausgebildet. Das Gelände soll auch nicht allzu steil sein. In Vorarlberg gibt es grundsätzlich sehr gute Habitate, die auch in der Vergangenheit bereits gut dokumentiert wurden. In der neuen Erhebung geht es auch darum, die möglichen Lebensraumpotenziale in Vorarlberg kennen zu lernen. Mit genetischen Analysen von Losungsproben sollen Aussagen über die Größe der Populationen und deren Vernetzung möglich werden. Derzeit stehen diese Auswertungen an, die COVID-bedingt verzögert heuer bis spätestens Ende des Jahres vorliegen sollen.

Habitatsgestaltung
Die beste Habitatsgestaltung für die Auerhühner war in der Zeit gegeben, in der die Wälder forstlich geplündert oder mit der Waldweide extrem landwirtschaftlich genutzt wurden. Die Wälder waren licht und boten dem Auerwild genügend Flugschneisen. Die Waldentwicklung in den letzten Jahrzehnten mit einem Zuwachsen der Bestände und immer höher werdenden Holzvorräten verschlechtern die Habitate zunehmend (seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts). Die Klimaänderung beschleunigte den Prozess weiter. Nur Moorränder, bei denen Bäume nur sehr schwer aufkommen können, bleiben als Lebensraumreste über.

Forststraße: Bestandesöffnung und für lichte Wälder
Jetzt kommt die Forststraße ins Spiel. Einerseits bieten Forststraßen sehr gute Bestandesöffnungen an, die für sich selber schon als Flugschneisen, als sonniger Aufenthaltsort, als „Huderstellen“ oder bis zur Nutzung der Aufnahme von Magensteinchen dienen. Andererseits sind Forststraßen die Voraussetzung für eine aktive Waldbewirtschaftung, um strukturreiche lichte Althölzer zu erreichen. Ohne diese Voraussetzung muss gar nicht über mögliche Beunruhigungseffekte, die auch größere Probleme machen können, gesprochen werden. Das meinte der Auerwild-Fachexperte Thomas Huber damit, wenn er in Bezug auf Forststraßen sagt „sie mögens“. So schlecht, wie in den letzten Jahrzehnten die Forststraßen oft von Naturschutzseite dargestellt wurden, sind Forststraßen nicht. Mit dem neuen Projekt wird jetzt eine differenzierte Sichtweise zu dieser Thematik gefördert. Um die positive Darstellung von Forststraßen nicht zu übertreiben, hier gleich die klare Feststellung, dass nicht jede Forststraße in Bezug auf Auerwildhabitate als positiv zu sehen ist. Es müssen mehrere Dinge berücksichtigt werden (tatsächlich durchgeführte Waldbewirtschaftung, sehr ungünstige Folgenutzungen, etc.).

Lebensraumgestaltung – Rotierendes Mosaik
Zentral wichtig für die Habitate sind die waldbaulichen Öffnungen in den Waldbeständen. Daneben spielen zum Beispiel die gezielten Öffnungen von Flugschneisen zu einer nächsten vorhandenen Lichtung eine wichtige Rolle. Es braucht ein Netz von solchen Schneisen. Die Schneise der Forststraße allein kann sogar zur Falle, durch Feinde wie den Adler werden. Das Machen von solchen Schneisen stellt in der Waldbewirtschaftung gar kein Problem dar. Diese sind zur Verjüngungsleitung waldbaulich notwendig. Nur der Waldbesitzer muss wissen, wo und wie diese gemacht werden müssen. Laut Auskunft der Projektleitung soll ein Maßnahmenhandbuch mit Empfehlungen für die Bewirtschaftung herausgegeben werden. Forststraßen können natürlich auch Beunruhigungseffekte bringen (Störungen durch hohe Besucherfrequenzen, mit Hunden oder vielen Fahrzeugen). Eine relativ gute Lösung ist beispielweise, wenn die Straße als Sackgasse ausgeführt bzw. beschildert wird.

Die gleichzeitige Nutzung von Öffnungen im Wald, die auch von Skitourengehern stark genutzt werden, zeigt, dass es unterschiedliche Qualitäten von Beunruhigungen zu berücksichtigen gilt (Beispiel vom Riedbergerhorn im Allgäu). Als sehr wichtig sieht der Fachexperte Thomas Huber in diesem Zusammenhang ein „rotierendes Mosaik“ auf der Fläche an. Lichtungen mit Altholzbeständen sollen sich auf der Fläche in zeitlicher Abfolge abwechseln. Randlinien und Grenzlinien sind wichtig. Ab einem Kronenschluss über 70 % wird es zu dicht. Solche neu gepflegten Habitate nutzen dann die Vögel normalerweise bereits nach 2 bis 3 Jahren, selbstverständlich nur dann, wenn noch eine Population im Gebiet vorhanden ist. Die Lebensraumpflege ist gerade in Gebiete sehr wichtig, in denen diese noch vorhanden sind. Von hier aus kann dann eine weitere Besiedlung und Vernetzung mit anderen Populationen erfolgen.

Fakten & Details

Grundlagenstudie Auerhuhn in Vorarlberg
Ein Projekt des Landes Vorarlberg (Abt. Umwelt- und Klimaschutz, Abt. Landwirtschaft & Ländlicher Raum sowie Abt. Forstwirtschaft) in Kooperation mit der Vorarlberger Jägerschaft, BirdLife Vorarlberg, Stiftung Gamsfreiheit und dem Regionsmanagement Europaschutzgebiete. Die Abteilung Forstwirtschaft des Landes Vorarlberg und der Vorarlberger Waldverein unterstützen das Projekt.

Hauptproblem für das Auerwild sind nicht bewirtschaftete, immer mehr zuwachsende Wälder.

Experte DI Thomas Huber erläutert die Faktoren für gute Auerwild-Lebensräume.

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