Tiefdruckkomplexe, die im Bereich ihrer Frontalzone über Orkanstärke hinausgehende Windstärken erreichen, sind nicht erst seit „Yves“ im Dezember 2017 oder „Vaia“ im Oktober 2018 ein bestimmender Aspekt der Waldbewirtschaftung in weiten Teilen Österreichs.
Neben allen anderen unerwünschten Auswirkungen führen solche Elementarereignisse auch zu großflächigen Windwürfen. Zu allen betriebswirtschaftlichen wie auch waldbaulichen Nachteilen kommt für die betroffenen Waldeigentümer dann auch noch die Haftungsfrage. Während nun die Windwurfflächen selbst relativ gut sperr- und absicherbar sind, kommt es immer wieder zu Schäden durch aufgestellte Wurzelteller, die nach oder während Windwurfaufarbeitungen aus der Schadfläche hinaus abrollen, abrutschen oder abstürzen.
Davon sind natürlich nur entsprechend steile Flächen betroffen. Die vom Sturmtief „Vaia“ in Kärnten und Osttirol geworfene Waldfläche etwa weist auf 59 % der Schadflächen (somit auf 2.500 ha) eine Hangneigung von mehr als 30 Grad auf. Mit dieser Geländesteilheit korrespondiert auch jene Hangneigung, die für das Abrollen und Stürzen durch Windwurf aufgestellter Wurzelteller als kritisch angenommen wird. Bei derartigen Hangneigungen liegen dann auch die Voraussetzungen für die Qualifikation als Schutzwald vor. Solche Wälder sind, auch wenn der Schutzwaldcharakter nicht bescheidmäßig festgestellt worden ist, als Standortschutzwälder zu betrachten und zu behandeln. Zudem liegen etwa in Osttirol 61 % der „Vaia“-Schadflächen im Objektschutzwald.
Wer ist nun dafür verantwortlich, wenn nach oder während der Aufarbeitung eines Windwurfs ein aufgestellter Wurzelteller etwa auf eine darunterliegende Straße abrollt oder abstürzt und dort einen Schaden verursacht?
Stand der Technik und Fahrlässigkeit
Grundsätzlich haftet der Waldeigentümer für aus seinem Wald abrollende oder abstürzende Wurzelteller nach oder während der Windwurfaufarbeitungen nur dann, wenn die Aufarbeitung des Windwurfs zumindest auffallend sorglos nicht dem Stand der Technik entsprechend durchgeführt wurde, also bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten. Auf ordnungsgemäß gesperrten Flächen wird überdies nur bei Vorsatz gehaftet.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht besteht und der Eintritt des Schadens als geradezu wahrscheinlich anzunehmen ist. Leichte Fahrlässigkeit liegt hingegen immer dann vor, wenn dem Schädiger eine Sorgfaltswidrigkeit unterläuft, die auch einer sorgfältigen Vergleichsperson passieren kann.
Wird nun grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten vermutet, so hat im Zusammenhang mit Schäden durch abrollende oder abstürzende Wurzelteller der Geschädigte das Verschulden des Schädigers zu beweisen. Es kommt hier zu keiner Beweislastumkehr. Anders als bei umstürzenden Bäumen kommt es hier nämlich nicht zur analogen Anwendung der Bauwerkehaftung. Bestehen hinsichtlich der konkreten Windwurfaufarbeitung jedoch vertragliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem, so ist die jeweilige vertragliche Haftung einschlägig, es kommt also auf die Vereinbarung zwischen Schädiger und Geschädigtem an. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Schlägerungsunternehmer bei der Aufarbeitung der Windwürfe die Wurzstöcke – anders als vereinbart oder als es der Sachkunde entspricht – zu kurz abgelängt hätte.
Höhere Gewalt
Windwurfereignisse sind grundsätzlich als „höhere Gewalt“ einzustufen. Sofern keine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten bestehen, ergibt sich für den Waldeigentümer in Fällen von höherer Gewalt auch keine Haftung. Solche gesetzlichen Pflichten sind zum Beispiel die forstrechtlichen Bestimmungen über die Bannlegung, deren Zweck es ja gerade ist, Dritte gegen Naturereignisse zu schützen, indem sie den Waldeigentümer dazu verpflichten, seinen Wald auf eine bestimmte Art und Weise zu bewirtschaften. Wird allerdings die Gefahrenlage durch den Waldeigentümer selbst geschaffen oder das Schadenrisiko durch sein Zutun maßgeblich erhöht (wenn etwa zu kurze Stockabschnitte belassen werden), kann sich für ihn trotz höherer Gewalt eine Haftung ergeben.
Mangelhafter Zustand und Zumutbarkeit
Die Grundsätze der Wegehalterhaftung gelten gleichermaßen für die Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen der Waldeigentümer zur Abwehr von Gefahren aus dem „danebenliegenden Wald“ zu treffen hat. Gehaftet wird daher für den mangelhaften Zustand des Weges oder der Windwurffläche.
Die Mangelhaftigkeit einer aufgearbeiteten Windwurffläche bestimmt sich zunächst danach, wie weit die Aufarbeitung dem Stand der Technik entsprechend durchgeführt wurde. Kommt es hier zu Versäumnissen, ist zu prüfen, ob die Vermeidung dieser Mangelhaftigkeit aufgrund der örtlichen Verhältnisse angemessen und zumutbar gewesen wäre.
Die Zumutbarkeit bestimmt sich danach, was nach allgemeinen und billigen Grundsätzen vom Halter erwartet werden kann. Es kommt auch darauf an, ob vom Waldeigentümer unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Aufarbeitung und Absicherung einer Windwurffläche überhaupt erwartet werden kann. Zu diesen allgemeinen Haftungsgrundsätzen kommen die Bestimmungen des Forstgesetzes: Zur Aufarbeitung nur mit hohem Aufwand absicherbarer Windwurfflächen ist der Waldeigentümer in einem (reinen) Standortschutzwald nur insoweit verpflichtet, als die Kosten dieser Maßnahmen aus den Erträgnissen von Fällungen in diesem Standortschutzwald gedeckt werden können, während in einem Objektschutzwald die Kosten dieser Maßnahmen durch öffentliche Mittel oder Zahlungen durch Begünstigte gedeckt sein müssen. Wird die Schadholzaufarbeitungs-Anordnung durch Forstschutz-Vorschreibungen begründet, müssen die vorgeschriebenen Maßnahmen wiederum für den Waldeigentümer zumutbar sein. Lehre und Rechtsprechung stimmen zudem überein, dass im Gebirge grundsätzlich keine vollständige Gefahrlosigkeit möglich ist und bestimmte Restrisiken nicht völlig vermeidbar sind.
Darunterliegende Straße und deren Wegehalter
Die Verkehrssicherungspflicht des Wegehalters betrifft auch Gefahrenquellen im räumlichen Umfeld des Weges, sofern dies zumutbar ist. Der Halter einer Straße haftet daher für Schäden, die durch das Abrollen oder Abstürzen von Wurzeltellern aus einer Windwurffläche auf der darunter liegenden Straße entstehen, sofern diese darauf zurückzuführen sind, dass ein Waldeigentümer auf einer Windwurffläche die Aufarbeitung dem Stand der Technik entsprechend durchgeführt hat und dabei aufrecht stehende oder überhängende Wurzelteller belassen musste. Wenn die Gefährdung für jedermann leicht erkennbar ist, können zudem die Verkehrssicherungspflichten des Wegehalters gemindert sein oder ganz entfallen, was jedoch bei Wurzelstöcken, die nach Windwurfaufarbeitungen auch über größere Distanzen auf eine weiter unten verlaufende Straße abrollen können, nicht notwendigerweise der Fall sein wird.
Ingerenzprinzip und Immissionen
Das Ingerenzprinzip besagt, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder bestehen lässt, die notwendigen Vorkehrungen zur Abwendung der daraus drohenden Gefahren zu treffen hat. Es dürfen für diese Vorkehrungen aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, vor allem in jenen Fällen, in denen sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht erkennbar ist. Die allgemeine Haftungsbefreiung des § 176 Abs 2 ForstG steht einer Haftung nach dem Ingerenzprinzip nicht entgegen. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, dass eine Haftung nach dem Ingerenzprinzip sich auch bei abrollenden und abstürzenden Wurzeltellern nach Windwurfaufarbeitung erst bei zumindest grober Fahrlässigkeit ergeben kann, wenn also dem Stand der Technik nicht entsprochen wurde. Dasselbe gilt übrigens, wenn sich die Ausgleichsansprüche des Geschädigten auf von einem Wald ausgehende Immissionen gründen. Solche Einwirkungen müssten zudem das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen.
Bannlegung der Windwurffläche
Es schaut also gut aus für den Eigentümer einer Windwurffläche, aus der Wurzelteller auf eine darunterliegende Straße abrollen oder abstürzen könnten – so lange er sicher sein kann, dass die Aufarbeitung strikt dem Stand der Technik entsprechend erfolgt ist. Weil man sich bei so komplexen Aufgabenstellungen jedoch nie ganz sicher sein kann und die aus Fehlern entstehenden Haftungsfolgen immens sein können, empfiehlt sich als rechtliche Absicherung ein Antrag auf Bannlegung der Windwurffläche für die Dauer der Gefährdung. Die Bannlegung ist nämlich das im Forstgesetz vorgesehene Mittel zur Gefahrenabwehr, durch welche auch der gesetzlichen Pflicht zur Schadensabwendung entsprochen wird. Die Kosten der von der Behörde zur Bannwaldbewirtschaftung vorgeschriebenen Maßnahmen kann der Waldeigentümer übrigens auf den Halter der darunterliegenden, begünstigten Straße überwälzen.
Info
Wer ist dafür verantwortlich, wenn nach oder während der Aufarbeitung eines Windwurfs ein aufgestellter Wurzelteller auf eine darunterliegende Straße abrollt oder abstürzt und dort einen Schaden verursacht? Hierbei handelt es sich um eine Frage, die zwar für tausende österreichische Waldbewirtschafter existenzbedrohend ist, die bisher aber noch nicht umfassend geklärt wurde. Der Waldverband Kärnten hat es als seine Aufgabe gesehen, diese Unklarheiten zu beseitigen und seinen durch großflächige Windwurfschäden schwer getroffenen Mitgliedern durch ein Rechtsgutachten zumindest diese Sorgen zu nehmen.